Im Rahmen des Jubiläums „100 Jahre Frauenstudium 1919-2019“ fand gestern der Austrian Roadmap 2050 Future Talk „Female Leadership“ statt. In Kooperation mit der TU Wien und Philip Morris Austria gaben weibliche Führungspersönlichkeiten Einblicke in persönliche Karriere- und Führungserfahrungen, unterschiede zwischen Frauen und Männern und warum vielfältige Teams erfolgreicher sind.

 

Dass es schon „viel schlimmer“ war, darüber haben wir vor kurzem berichtet. Ein technisches Studium nämlich, das durften Frauen vor 100 Jahren nur dann beginnen, wenn sie „ohne Schädigung und Beeinträchtigung der männlichen Studierenden nach den vorhandenen räumlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen der einzelnen Hochschulen Platz finden.“ Dass Frauen mittlerweile ganz selbstverständlich an der TU Wien – und grundsätzlich an österreichischen Universitäten – Platz finden, betonte Vizerektorin Anna Steiger gestern Nachmittag. Anlässlich des Austrian Roadmap 2050 Future Talks zum Thema “Female Leadership” ermunterte sie die 100 TeilnehmerInnen in ihrer Keynote dazu, dass es an der Zeit sei, sich von Vorurteilen, die tief im Unterbewusstsein verankert sind, sowie falschen Glaubenssätzen zu trennen. Dazu gehöre etwa der Glaube, dass sich Frauen für technische Studienfächer nicht interessierten oder dazu nicht geeignet seien:

“Wir können Frauen in der Technik nicht mehr als Ausnahmeerscheinung betrachten. Es gilt, junge Frauen so früh wie möglich in ihrem technischen Interesse zu stärken. Diversität ist die Voraussetzung für Innovationen und Lösungen und die Antwort auf aktuelle gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen.”

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„The Next Hedy Lamarr – Wie kommt mehr Frauenpower in die Technikbranche?“

Die vier Frauen auf dem ersten Panel Marilies Rumpold-Preining, Therese Niss, Petra Hums und Réka Bálint sind seit vielen Jahren in eher männlich-dominierten Branchen tätig.

“Rollenbilder werden in der Kindheit geprägt, dort muss man entgegenwirken”, ist sich Marilies Rumpold-Preining sicher. Für IBM war sie in mehreren Ländern in Führungspositionen tätig, seit Juli diesen Jahres hat sie die Position als Red Hat Synergy Leader der DACH-Region übernommen. “Im Englischen trifft es der Begriff bragging sehr gut, was uns Frauen oft nicht so leicht fällt: Uns hinzustellen und zu zeigen, was wir können und was wir erreicht haben. Es ist extrem wichtig, das  zu artikulieren und keine Angst zu haben, die eigenen Qualitäten in den Vordergrund zu stellen”, erläutert Marilies Rumpold-Preining. Zustimmung dafür gibt es von Réka Bálint: “Männer suchen das Rampenlicht, egal was geleistet haben. Wir Frauen haben ein anderes Selbstverständnis und scheuen die Selbstdarstellung.”  Bálint wurde Mitte des Jahres zum Head of Brand Communication Austria & Switzerland bei Samsung Electronics berufen. “Ich sehe es als meine Pflicht, andere Frauen zu fördern und nach vorne zu bringen. Man muss aber auch selbst etwas dafür tun, um in eine Führungsposition zu gelangen.”  Ein gewisser Grad an Mut, Resilienz und sich eine dicke Haut zuzulegen, ist in der Technologiebranche doch von Vorteil, rät die Kommunikationsexpterin.

“Eine typisch männliche Fähigkeit: Inkompetenzkompensationskompetenz! Dabei haben wir Frauen Aufholbedarf!” – Réka Bálint

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Therese Niss, die sich als Nationalratsabgeordnete unter anderem für die Arbeitszeitflexibilisierung einsetzt, ist überzeugt, dass flexible Arbeitszeiten und eine andere Einstellung zu Familie und Beruf ein großer Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter in der Arbeitswelt sind. “Um Frauen für das Thema Technik zu begeistern und das technische Verständnis zu forcieren, müsse bereits im Kindergarten und im Elternhaus begonnen werden”, meint die Mutter von drei Kindern. “Wir müssen schon bei der Ausbildung der PädagogInnen ansetzen und ihnen die Scheu vor Technik und den direkten Fragen der Kindern nehmen.” Einen “typisch männlichen” oder “typisch weiblichen” Führungsstil kann Sie aus ihren zahlreichen Erfahrungen als Aufsichtsrätin nicht bestätigen.

“Ein reines Männerteam agiert anders als ein gemischtes Team.” – Therese Niss

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Wie wichtig Role Models sind, um das Interesse für technische Berufe und Technik ganz allgemein bei Frauen zu wecken, betonte Petra Hums, Leiterin Finanzen und Personal bei den Wiener Linien. Deshalb setzen die Wiener Linien ganz bewusst auf weibliche Lehrlingsausbildnerinnen, die an Schulen die Berufswelt der Wiener Linien vorstellen. “Mit dem Technikerinnen-Circle oder den “Frauenlinien” gibt es außerdem eigene Frauennetzwerke im Unternehmen, die den bereichsübergreifenden Austausch fördern. “Manchmal würde hier gerne auch der ein oder andere Mann dazu gehören”, meint sie schmunzelnd.

„Diversity as a Competetive Advantage – Warum vielfältige Teams erfolgreicher sind“

“Führungsstile unterscheiden sich nicht wesentlich. Wichtiger sind die Persönlichkeitsstruktur und die Grundmotivation der Person: ist es Gestaltungswille oder Machtstreben?” – Carola Lindenbauer

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Was Frauen unbedingt brauchen, um als Führungskraft zu bestehen? “Ohne einer gewisser Härte sich selbst gegenüber, geht es in nicht. Und: man muss Führung und Verantwortung übernehmen wollen”, gibt Carola Lindenbauer, die seit Anfang des Jahres als kaufmännische Geschäftsführerin neben Wolfgang Fischer die Geschicke der Wiener Stadthalle leitet, zu bedenken. “Viele Bewerberinnen kommen und sagen, sie haben andere Prioritäten.” Das bestätigt auch Monika Racek, Vorstandsvorsitzende der AdmiralCasinos & Entertainment AG. Sie beobachtet eine “Retro-Bewegung”: “Junge Frauen sagen mir, dass sie es ganz toll finden, was ich mache. Doch ihnen sei das zu anstrengend.” Sehr ehrlich berichtete sie, dass es natürlich “nicht immer lustig ist, um 20 Uhr, wenn das Baby schläft den Laptop aufzuklappen. Doch wenn du eine Führungsposition einnehmen willst, musst du bereit sein, die Extrameile zu gehen.” Als sie schwanger wurde, hat sie sich selbst die geeigneten Rahmenbedingungen im Unternehmen geschaffen und aufgezeigt, wie es gelingen kann, den Spagat zwischen ihren Rollen zu schaffen. “Das ist einerseits eine Frage der Unternehmenskultur, andererseits aber auch eine Frage der persönlichen Organisation bzw. Bereitschaft zur Flexibilität.“ Zum Thema Quote bezieht die erfolgreiche Managerin eindeutig Position: “Nur der Quote wegen, eine Frau einzustellen, das kann man einem Unternehmen nicht aufoktroyieren. Für mich zählt die Qualifikation.”

“Es ist kein Spaziergang, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Es ist nach wie vor eine Herausforderung.“ – Monika Racek

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Laura Ecker-Sperlich, Unternehmenssprecherin von Philip Morris Austria berichtete, dass sich der US-amerikanische Konzern zum Ziel gesetzt hat, den Anteil der weiblichen Führungskräfte bis 2022 auf 40% zu erhöhen. Ambitionierter sind die Ziele in Deutschland und Österreich: hier steht sogar eine ausgeglichene Gender-Balance von 50:50 bis zum Jahr 2022 auf der Agenda. Deshalb legt Philipp Morris bereits im Recruiting-Prozess auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern. Dass das Thema Diversity bei Philip Morris mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist, beweisen zahlreiche Maßnahmen. „Bei uns werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für gleiche Tätigkeiten auch gleich bezahlt. Dafür wurden wir vor kurzem mit der EQUAL-SALARY-Zertifizierung ausgezeichnet“, erzählt Ecker-Sperlich und führt weiters aus: Wir befinden uns in der größten Transformationsprozess der Unternehmensgeschichte. Würden alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich denken und handeln, wäre dieser Prozess nicht möglich. Die Vielfalt von Alter, Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Religion trennen uns nicht, sondern machen uns als Organisation stärker.“

Auf die Frage, warum die renommierte Wiener Digitalkonferenz Darwin’s Circle mit „Darwin & Marie“ ein eigenes Konferenz-Format für weibliche Führungskräfte aus den Bereichen Technologie und Innovation, brauche, antwortete die Managing Directorin Kathrin Kuess: “Ich bitte bei der Speaker-Akquise immer wieder darum, eine Frau im C-Level Bereich als Unternehmensrepräsentantin für das Podium zu nominieren. Firmenintern wird jedoch oft anders entschieden. Senior Positions und C-Level-Executives in der Tech-Branche sind im Moment größtenteils noch von Männern besetzt. Die Teams sind jedoch divers, werden immer diverser und zahlreiche junge Frauen werden in den nächsten 3-4 Jahren Führungspositionen übernehmen”, ist Kuess sich sicher.

Der Quotenmann

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Durch den Nachmittag führte, mit einer hervorragenden Moderation, übrigens ein Mann. Sven Pöllauer, EU and International Affairs Manager bei der ÖBB und Gründungsmitglied der Austrian Roadmap 2050 fühlte sich inmitten der „Female Leaders“ wohl: “Bei vielen Veranstaltungen diskutieren ausschließlich Männer am Podium, die einzige Frau ist die Moderatorin. Heute ist es genau umgekehrt und kann als Vorzeigebeispiel für die Zukunft gesehen werden.”

Autorin: Stefanie Gründl

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