
Die österreichische, europäische und globale Wirtschaft stehen immer wieder vor Herausforderungen in Zusammenhang mit Lieferkettenproblemen, strategischen Abhängigkeiten und der Sicherstellung reibungsloser Produktionsprozesse. Auch für Oberösterreich als Wirtschafts- und Industriebundesland ist es wesentlich, auf Herausforderungen und Risiken rasch zu reagieren.
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz wurde das neue Lieferketten-Forschungsinstitut ASCII von Wirtschaftsminister Martin Kocher, Oberösterreichs Wirtschafts- und Forschungs-Landesrat Markus Achleitner, WIFO-Direktor und ASCII-Präsident Gabriel Felbermayr sowie Sabine Herlitschka, Infineon-Vorstandsvorsitzende und Vorsitzende im ASCII-Beirat, präsentiert. Unter Beteiligung von WIFO, Complexity Science Hub und Logistikum der FH OÖ soll es künftig Datensysteme zur Analyse von Lieferketten und Produktionsnetzwerken entwickeln.
Krisen wie die Corona-Pandemie, der Angriffskrieg in der Ukraine usw. haben viele Lieferketten in den vergangenen Jahren teils empfindlich gestört. Laut WIFO-Konjunkturtest 2022 gaben im Zeitraum von 2021 bis 2022 bis zu 40 Prozent der heimischen Unternehmen an, dass sich der Mangel an Material oder Kapazität als hinderlich in der Sachgütererzeugung erweist. Das neue Institut widmet sich künftig dem Monitoring und der intersdisziplinären Erforschung. Der Fokus liegt auf der Entwicklung eines umfassenden Datensystems zu Lieferketten und Produktionsnetzwerken. Das ASCII macht die Struktur von Liefernetzwerken transparent und erhebt die Auswirkungen von exogenen Einflüssen auf Wertschöpfungsnetzwerke. Das Monitoring unterstützt dabei, strategische Abhängigkeiten der österreichischen und europäischen Industrie von Rohstoffen schneller zu erkennen.
Arbeitsminister Martin Kocher präzisiert: „Es ist gut, im Vorhinein zu wissen, welche Folgen so etwas hat. Dafür braucht es eine solide Datenbasis, die das Institut bereitstellen soll.“ Entscheidend sei dies, so Kocher, um in der Zukunft mögliche Entwicklungen besser abschätzen können und richtige Entscheidungen treffen zu können. „Ich bin froh, dass wir es geschafft haben, ein Vorzeigeinstitut auf die Beine zu stellen. Die Forschung wird eine wichtige Grundlage bieten, um die Resilienz des Standorts Österreich zu sichern“, so Bundesminister Martin Kocher.
Bundesminister Martin Kocher und Oberösterreichs Wirtschafts- und Forschungs-Landesrat Markus Achleitner bei der Präsentation des neuen Lieferketten-Forschungsinstituts ASCII. © Weymayer
Warum das Land OÖ mit an Bord ist, erklärt Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner bildhaft: „Oberösterreich ist das Herz der Industrie in Österreich. Die Logistik ist der Blutkreislauf eines Wirtschaftsstandortes, die Lieferketten sind der Blutdruck. Funktionierende soll man nicht spüren. In den vergangenen Jahren haben wir oft schmerzlich gesehen, wie schnell es geht, dass Selbstverständlichkeiten nicht mehr selbstverständlich sind.“ Es gehe nun darum zu hinterfragen, was die Lehren aus derartigen Krisen sein können und darum, den Wirtschaftsstandort widerstandsfähiger zu machen. „Für Oberösterreich als führendes Wirtschafts- und Industriebundesland ist es essenziell, Wissen über Lieferketten und Produktionsnetzwerke am Standort aufzubauen – nicht nur für einzelne Betriebe, sondern für ganze Branchen und Sektoren. Besonders wichtig aus oö. Sicht ist die Schwerpunktsetzung auf Automotive, Halbleiter und Life Sciences. Eine klare Stärke des Standorts OÖ ist, dass hier die gesamte Wertschöpfungskette um nachhaltige Fahrzeugkonzepte vor allem im Bereich Nutz- und Sonderfahrzeuge zu entwickeln und zu fertigen, im Umkreis von 50 km vorhanden ist. Die Erkenntnisse aus den ASCII-Modellen sollen dabei helfen, aktuelle und künftige Entwicklungen rasch zu erkennen und daraus nicht nur auf einzelbetrieblicher, sondern auch auf wirtschaftspolitischer Ebene Handlungsempfehlungen abzuleiten. Das Land OÖ beteiligt sich daher mit 2,5 Mio. Euro an diesem neuen Institut, das auch einen Standort in Steyr haben wird“, erklärt Landesrat Markus Achleitner fort.
Zwischen 2023 und 2027 stellen Bund und Land OÖ dem Lieferketteninstitut gemeinsam zehn Millionen Euro zur Verfügung. Der Sitz wird Wien sein, eine Dependance wird in Steyr eingerichtet. Das habe mit Oberösterreichs großem Anteil an der Automotive-Industrie zu tun, so Achleitner. 86.000 Mitarbeiter:innen sind in der Branche beschäftigt. „Wir investieren sehr viel, um weiterhin vorn zu bleiben“, fügt Markus Achleitner hinzu und nennt BMW als Beispiel, das in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro in den Standort investieren will.
„Resilienz ist von größter Bedeutung, die Gründung des Instituts höchst relevant“, sagt dazu die Vorsitzende im ASCII-Beitrag, Sabine Herlitschka. Sie führt die Halbleiterindustrie als Beispiel an. Chips und Mikroelektronik sind systemrelevant. „Halbleiter sichern Lieferketten in etlichen Anwendungsbereichen, auch im Bereich Automotive. Das neue Institut wird wesentliche Entscheidungsgrundlagen liefern.“ Der Beirat setzt sich zusammen aus Wissenschaft, Politik und Industrie. Mit diesem Setup, so Herlitschka, sei man überzeugt, das neue Institut gut unterstützen zu können, um den Standort Österreich „resilienter und stärker“ aufstellen zu können. WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr ergänzt: „Wir haben für fünf Jahre ein Budget, mit dem man dicke Bretter bohren kann.“
„Wir wollen etwas erreichen fürs Land und Top-Forschung machen“, ergänzt WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr. Interessant möchte man auch für Forscher aus dem Ausland sein. „Wir können hier ein Beispiel setzen im europäischen Kontext. Wir rechnen damit, dass wir in Deutschland und Brüssel mit unseren Analysen gehört werden.“ In den kommenden Monaten werde man sich mit Thema wie der Medikamentenversorgung und den Chiplieferketten beschäftigen.
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