Das operative Team von Green Energy Lab bündelt alles für eine gelebte Innovation. Susanne Supper ist Cluster Manager im Green Energy Lab, leitet das Green Energy Lab und ist für die Gesamtkoordination des Projektverbunds der Energie-Vorzeigeregion verantwortlich. Erst kürzlich wurde sie zur FEMtech-Expertin des Monats gekürt. Die Austrian Roadmap2050 spricht mit ihr über eine nachhaltige Energiezukunft, die mögliche Energieautarkie von Österreich und die Trends, Chancen und Herausforderungen im Bereich der Energieforschung. 

Austrian Roadmap2050: Gleich zu Anfang die momentane Trendfrage: Wie kann eine nachhaltige Energiezukunft funktionieren?

Susanne Supper: Eine nachhaltige Energiezukunft heißt Klimaneutralität und Versorgungssicherheit – und das über alle Sektoren und Branchen hinweg. Konkret bedeutet das: Energieeffizienz – also alle Einsparungspotenziale nutzen – und den noch verbleibenden Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken. Vom Konzept her klingt das simpel – und wir haben schon sehr viele Lösungen dafür: in der erneuerbaren Erzeugung – Wasser, Wind, Photovoltaik, Geothermie; bei der Effizienz – energieeffiziente Gebäude, Prozesse (z.B. Abwärmerückgewinnung) etc.

Die Herausforderung liegt darin, innovative Lösungen in die Breite zu bringen, einzelne Technologien und Komponenten so miteinander zu verbinden, dass ein nachhaltiges Energiesystem entsteht, und entsprechenden Geschäftsmodelle und Rahmenbedingungen zu entwickeln bzw. anzupassen, sodass dieses Energiesystem auch wirtschaftlich und organisatorisch funktioniert.

ARM2050: Ist es überhaupt möglich, zu 100 % energieautark in Österreich zu werden und sich voll und ganz vom Gas zu verabschieden?

Susanne Supper ist FEMtech-Expertin des Monats Jänner 2023. Sie arbeitet bei Green Energy Lab, einer Forschungsinitiative für nachhaltige Energielösungen. © greenenergylab

Susanne Supper: Ja, es ist definitiv möglich in Österreich klimaneutral zu werden.

Um die Begriffe ein bisschen auseinander zu halten: Um Energieautarkie in dem Sinn, dass Österreichs Energiebedarf zu jeder Zeit aus eigener Erzeugung in Österreich kommt, geht es dabei nicht wirklich. Ein gewisser „Austausch“ mit anderen Ländern wird nach wie vor sinnvoll und notwendig sein.

Auch die Verabschiedung von Gas betrifft „nur“ fossiles Gas; Gas als Energieträger – allerdings wiederum aus erneuerbaren Quellen (Stichwort grüne Gase) – wird es weiterhin geben, da es für bestimmte Anwendungen, etwa in der Industrie, gebraucht wird.

ARM2050: Welche Trends und Innovationschancen sind derzeit in der Energieforschung zu beobachten?

Susanne Supper: Wir haben mit Jahresanfang unseren RadarView 2023 veröffentlicht, der eine interaktive Visualisierung von Technologietrends im Energiesektor darstellt. In diesem RadarView haben wir auf Basis moderner Trendforschungsmethoden und unter Einbezug zahlreicher Expert:innen und Stakeholder elf Innovationsfelder identifiziert, die sehr rasch positive Wirkung auf unsere Klima- und Energiezukunft haben können und haben diese Innovationsfelder auch nach sechs Kriterien bewertet (Reifegrad der Einzeltechnologie; Systemreife der Technologe; Marktchancen; Potenzial, den Wandel zu ermöglichen; Risiken; direkten Klimaschutz-Einfluss).

Eines der identifizierten Innovationsfelder betrifft den Gebäudebereich. Gebäude werden in Zukunft aktiv am Energiesystem teilnehmen. Für Neubauten gibt es schon jetzt eine ganze Reihe smarter Lösungen. Um alle Gebäude klimafit zu machen, müssen Ansätze entwickelt werden, welche auch auf bestehende Gebäude angewendet werden können (Stichwort: Upgrading Buildings).

Ein weiterer klar erkennbarer Trend ist die Kreislaufwirtschaft: Im Mittelpunkt steht „Abfall als Ressource“. Durch Wiederverwertung kann ein großer Anteil des bei der Produktion ausgestoßenen CO2 vermieden werden. Zudem wird die Abhängigkeit von Rohstoffimporten verringert. Das Innovationsfeld der Kreislaufwirtschaft ist aber mehr als nur Recycling: Auch die aktive Bindung von CO2 in der Atmosphäre oder das Erzeugen von Elektrizität durch Mikroben sind Teile des Feldes, die noch erschlossen werden können.

Der gesamte RadarView mit allen elf Innovationsfeldern ist auf unserer Website verfügbar: Innovationsfelder rascher erkennen und Potenzial nutzen – Greenenergylab

ARM2050: Das Green Energy Lab ist eine Forschungsinitiative für nachhaltige Energielösungen und Teil der österreichischen Innovationsoffensive „Vorzeigeregion Energie“ des Klima- und Energiefonds. Welches Projekt sticht derzeit hervor?

Susanne Supper: Im Green Energy Lab laufen bereits mehr als 50 Energieinnovationsprojekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von über € 150 Mio. und mehr als 300 Partnerunternehmen aus Wirtschaft, Forschung und dem öffentlichen Bereich. Die Projekte decken den gesamten Themenbereich der grünen Energiezukunft ab – also Wärme, Strom und integrierte Mobilität.

Ein Fokusbereich im Green Energy Lab ist die „Grüne Wärme und Kälte“ – auch vor dem Hintergrund, dass der Wärme- und Kältebereich noch zu rund 60% auf fossilen Energieträgern basiert, der Kältebedarf steigen wird, und hier ein möglichst rascher, zielgerichteter Umbau erfolgen muss, der gleichzeitig sehr herausfordernd ist, gerade im Bestand.

Wir haben zu diesem Thema daher mehrere Projekte im Green Energy Lab lanciert. Aktuell hervorzuheben ist das Leitprojekt ThermaFLEX, das Ende 2022 abgeschlossen wurde und in dem konkrete Lösungen, wie die bestehende Wärmeleitungsinfrastruktur effizient genutzt und erweitert werden kann und lokale erneuerbare Energiequellen und insbesondere auch Abwärme in das Fernwärmenetz eingebunden werden können, gezeigt wurden. Dies erfolgte anhand von elf Demonstrationsprojekten in der Steiermark, Wien und Salzburg, an welchen insgesamt 28 Partnerunternehmen beteiligt waren.

ARM2050: Stichwort Innovationslabor: Durch den direkten Zugang zum Kernmarkt der Energieversorger können Neuentwicklungen unmittelbar in großen Dimensionen getestet werden. Wie verläuft so ein Testvorgang und was wird allen voran dabei getestet?

Susanne Supper: Wie der Testvorgang genau abläuft, richtet sich immer nach den Fragestellungen, dem Set-up und den Rahmenbedingungen des jeweiligen Projekts. Um ein Beispiel aus dem Themenbereich der integrierten Mobilität zu nehmen: Im Projekt Car2Flex wird anhand von drei verschiedenen Anwendungsfällen mit unterschiedlichen Zielgruppen untersucht, wie der steigende Anteil von Elektromobilität – entsprechend den Mobilitätsbedürfnissen der jeweiligen Gruppen – sich am besten in das Energiesystem integrieren lässt. Ein Fokus liegt dabei auf dem gesteuertem und bi-direktionalem Laden. Dazu laufen Feldversuche ab, bei welchen die Auswirkungen auf das Energienetz untersucht werden und an welchen gleichzeitig verschiedene Testgruppen aus realen Personen teilnehmen, um Praktikabilität und verhaltensbezogene Faktoren zu untersuchen.

Die Einbindung von Nutzer:innen in die Projekte ist generell ein wesentliches Asset in Green Energy Lab-Projekten. Wo immer dies möglich ist bzw. die direkte Interaktion mit Nutzer:innen von den Forschungsfragestellungen her sinnvoll ist, wird dies auch gemacht. Dies unterstützt auch den gesamthaften Ansatz, den wir mit den Green Energy Lab-Projekten verfolgen, indem technische, wirtschaftliche und soziale Fragen untersucht werden.

ARM2050: Welche Herausforderungen sind derzeit die größten, wenn es um die Transformation in Richtung der 100%-igen Versorgung von erneuerbaren Energien geht?

Susanne Supper: Wie erwähnt: Von den Sektoren her sind das sicherlich die Bereiche Wärme und Mobilität. In beiden Fällen geht es darum, bestehende Strukturen massiv zu ändern. Im Wärmebereich ist der Umgang mit dem Gebäudebestand und den vorhandenen urbanen Infrastrukturen herausfordernd – nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch und finanziell. Gebäudesanierungen zur Steigerung der Energieeffizienz müssen umgesetzt werden.  Dies braucht sehr viele (Fach)-Arbeitskräfte, Investkapital etc. Und auch in der Mobilität wird es sich mit einem einfachen Shift auf andere Antriebe nicht ausgehen, sondern es sind viele weitere, teilweise infrastrukturelle Maßnahmen, wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, notwendig.

ARM2050: Wo sehen Sie selbst die Chance bzw. Herausforderung im Bereich Energieversorgung? Muss der/die Verbraucher:in mehr Einsatz zeigen oder ist es die politische Verantwortung, entsprechende Richtlinien durchzusetzen?

Susanne Supper: Ich möchte noch einmal betonen: Die Nutzer:innen müssen bei der Transformation des Energiesystems mitgenommen werden und jeder größere oder kleinere Beitrag, den man individuell leisten kann, zählt. Die Möglichkeiten und Ansatzpunkte für klimafreundliches Verhalten sind außerdem vielfältig. Ich sehe es aber dennoch nicht so, dass der Klimaschutz hauptsächlich in der Verantwortung jedes Einzelnen liegen kann. Dazu sind die Bedrohung des Klimawandels und die Dringlichkeit, eine sichere, nachhaltige Energieversorgung für Österreich sicherzustellen, viel zu groß. Dies ist vor allem eine politische Aufgabe, entsprechende Ziele vorzugeben und die Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass diese Ziele in allen Branchen Schritt für Schritt anhand konkreter Umsetzungspfade und Maßnahmen erreicht werden können.

ARM2050: Alle Unternehmen propagieren ständig damit, klimaneutral zu sein oder es in naher Zukunft zu werden. Mir scheint es, als wäre da häufig Greenwashing im Spiel bzw. müsste doch die Dekarbonisierung nicht neutral, sondern eine eher negative Bilanzierung zeigen. Wird hier die Gesellschaft mit “good news” kurzfristig beruhigt?

Susanne Supper: Ich denke, es geht weniger darum, die Gesellschaft insgesamt mit „good news“ zu beruhigen, sondern Klimaschutz und „grüne Produkte“ als spezifisches Verkaufsargument zu nutzen und ein gutes Gefühl bei den Käufer:innen zu erzeugen. Ein Trend dazu ist sicherlich zu bemerken – was eine positive Seite hat, nämlich generell ein stärkeres Bewusstsein für Klimaschutzthemen in der Wirtschaft und in der Gesellschaft und sicherlich auch immer mehr konkrete Klimaschutzmaßnahmen, wie Verbesserungen von Produktionsprozessen und Ähnliches, aber auch eine negative, weil es für Konsument:innen sicherlich immer schwieriger wird, sich im Dschungel von diversen Standards, Etiketten, nachhaltigen Produktzuschreibungen etc. zu orientieren und nicht auf Greenwashing hineinzufallen.

Zudem sollte man auch nicht aus den Augen verlieren, dass im Normalfall KEIN neues Produkt die bessere Entscheidung ist. Auch „grüne“ Produkte haben einen CO2-Fußabdruck und sonstigen Ressourcenverbrauch.

ARM2050: Ist das Vorhaben der Klimaneutralität 2040 aus ihrer Sicht realistisch?

Susanne Supper: Es ist realistisch und es ist notwendig – und es ist herausfordernd.

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