Wir konnten mit dem Sprecher der Mobilitätsorganisation VCÖ – Mobilität mit Zukunft, über Verkehrspolitik sprechen und Statements zum neuen Regierungsprogramm einholen.

Christian Gratzer

Wo sehen Sie in der Vergangenheit die Versäumnisse in der österreichischen Verkehrspolitik?

In der Vergangenheit wurde der klimaverträglichen Mobilität viel zu wenig Beachtung geschenkt. Statt Regionalbahnen zu modernisieren wurde viele eingestellt. In der Infrastrukturpolitik wurde neben dem Schienennetz zu den regionalen Zentren auch die Infrastruktur für den Radverkehr vernachlässigt. Stattdessen wurde das Straßennetz massiv ausgebaut mit dem bekannten Ergebnis: Mehr Lkw-Transit, mehr Autoverkehr, mehr Staus. Anstatt zu sinken sind die CO2-Emissionen des Verkehrs in den vergangenen fünf Jahren gestiegen.

 Wie beurteilen Sie das Programm der neuen türkis-grünen Regierung im Hinblick auf Verkehr und Klimaschutz?

Die Zielsetzungen sind positiv und machen Hoffnung, wie beispielsweise der verstärkte Ausbau des Öffentlichen Verkehrs in den Regionen und Ballungsräumen, günstigere Öffi-Jahresnetzkarten, die Verdoppelung des Radverkehrs, eine ökologische Steuerreform, ein klimaneutrales Verkehrssystem bis zum Jahr 2040. Jetzt geht es darum, dass konkrete Schritte umgesetzt werden, damit wir dem Klimaziel rasch näher kommen.

 Was hätte man besser machen können?

Was fehlt, sind konkrete Zeitpläne zum Abbau der bestehenden umweltschädlichen Förderungen im Verkehr, die laut Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO deutlich mehr als zwei Milliarden Euro betragen. Je länger diese Maßnahmen verzögert werden, umso rigoroser müssen dann die Maßnahmen sein, um die Ziele zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass das Dieselprivileg rasch abgeschafft wird, die Steuervorteile für Firmenwagen mit Verbrennungsmotor flott abgebaut werden und die NoVA und Pendlerpauschale noch heuer umfassend ökologisiert werden.

Wird das geplante 1-2-3-Ticket die Nutzung des ÖV in Österreich revolutionieren?
Der Preis ist eines von mehreren wichtigen Kriterien für die Verkehrsmittelwahl. Die Erfahrungen aus jenen Bundesländern, wo bereits eine günstige Öffi-Jahresnetzkarte eingeführt wurde, zeigt, dass die Jahresnetzkarten bei der Bevölkerung gut angekommen. Die Zahl der Fahrgäste ist in Tirol, Vorarlberg und Wien deutlich gestiegen. Die Voraussetzung, dass die Jahresnetzkarten gut angenommen werden, ist ein gute Angebot, also dichtes Netz mit häufigen Verbindungen und einer im Vergleich zum Auto attraktiven Reisezeit. Wichtig sind auch Maßnahmen, die das Autofahren selber betreffen. In Wien beispielsweise hat die gleichzeitige Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung den Umstieg auf Öffentliche Verkehrsmittel unterstützt.

Wie schnell glaubt man beim VCÖ, dass das 1-2-3-Ticket kommen wird und wo sieht der VCÖ Herausforderungen in der Umsetzung?
Eine österreichweite Jahresnetzkarte bedeutet, dass eine  Einigung mit den Verkehrsverbünden, Bundesländern und Verkehrsunternehmen zu erzielen ist. Aber auch hier gilt: Wo ein Wille, da ein Weg. Ein Start im Jahr 2022 ist möglich, wenn alle Beteiligten engagiert und konstruktiv an einer Lösung arbeiten.

 Flüge auf der Kurz- und Mittelstrecke werden in Zukunft mehr besteuert, auf der Langstrecke kommt man verhältnismäßig billig davon – ist das der richtige Weg?

Dass die Flugticketabgabe für Kurz- und Mittelstrecke erhöht wurde ist positiv, weil es auf diesen Strecken klimaverträglichere Alternativen gibt und gerade dieser Bereich in den vergangenen Jahren massiv zugenommen hat. Die Strategie des Flughafens Wiens, Billigfluglinien anzulocken hat Arbeitsplätze vernichtet und zu einer massiven Zunahme von Flügen auf den kürzeren Strecken geführt. Bei einem Preis von 19 Euro sind 12 Euro stärker wahrgenommen als bei einem Ticketpreis von 500 Euro oder mehr. Aber die Flugticketabgabe kann nur ein erster Schritt sein. Denn laut Studie der EU-Kommission wird der Klimasünder Flugverkehr in der EU durch die fehlende Kerosinsteuer und die fehlende Mehrwertsteuer auf Flugtickets mit rund 70 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert. Deshalb  braucht es rasch auf EU-Ebene eine Kerosinsteuer und eine Mehrwertsteuer auf Flugtickets.

 

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