Social-Media Nutzern in Österreich kamen an ihm eigentlich nicht vorbei: die ÖBB haben diese Woche eine neue Nightjet-Direktverbindung in die EU-Hauptstadt Brüssel eröffnet. Begleitet von massiven Interesse seitens der Medien und mit reger Teilnahme der österreichischen Europaabgeordneten und unserer neuen Infrastrukturministerin.
Doch wie entsteht eine neue Nightjet-Verbindung und warum fährt die ÖBB nach Brüssel? Ein paar Blicke „hinter die Kullissen“ und ins „Tagebuch“ des Nightjet-Brüssel Teams:

Mai 2019:

Die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament bringen einen stärkeren Fokus auf das Thema Europa in den europäischen Medien. Zeitgleich wird bei den ÖBB, dem größten Nachtzug-Anbieter Europas, intensiv über neue Strecken für den Nightjet diskutiert. ÖBB-Holding Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä und Personenverkehrs-Vorständin Michaela Huber treffen die strategische Entscheidung: die „EU-Hauptstadt“ Brüssel wird direkt an Österreich angebunden. Eine neue Nightjet-Linie entsteht.

 

Juni 2019:

Das Nightjet-Team im Personenverkehr rund um Kurt Bauer und Erwin Kastberger verhandeln mit den Partnern in Deutschland und Belgien um die Verbindung möglich zu machen: der Zeitplan ist extrem ambitioniert! Trassen müssen bestellt werden, Fahrzeiten ausgearbeitet und rollendes Material bestimmt werden. In Belgien wird etwa aufgrund unterschiedlicher Bahnstrom-Systeme eine andere Lok gebraucht, die die belgischen Partner von der SNCB zur Verfügung stellen werden. 2020 wird der Nightjet Brüssel in einem „Pilot-Betrieb“ laufen: also zweimal die Woche und mit Ankunft in Brüssel um 10:55 Uhr. Aufgrund des, in den Morgenstunden, stark befahrenen Netzes in Deutschland und Belgien war keine frühere Ankunftszeit möglich. Doch bereits 2021 soll der Nightjet deutlich früher in Brüssel ankommen. Das zeigt aber auch wie komplex das System Bahn in Europa ist: wir haben 4 unterschiedliche Bahnstromsysteme, 15 verschiedene System für die Zug- und Sicherungstechnik und Triebfahrzeugsführer müssen immer die Landessprache fließend beherrschen. Während ein Busfahrer oder Flugzeugpilot am Weg von Wien nach Brüssel durchfahren/fliegen kann, muss die Triebfahrzeug und Triebfahrzeugsführer getauscht werden. Hier sind die Nationalstaaten und die Entscheidungsträger auf EU-Ebene auch gefordert mehr Europa im Bahnsystem möglich zu machen!

 

Sommer 2019:

Der Fahrplan für unseren Nightjet Brüssel entsteht: es wird 2020 je einen Zug von Innsbruck über München und von Wien über St. Pölten und Linz nach Brüssel geben der jeweils am Sonntag und Mittwoch abfahren wird. Es gibt aber noch viele Details zu klären: wie viele Wagen (Schlaf-, Liege- und Sitzwagen) können wir auf der Strecke mitnehmen oder wie schaut die Kooperation mit der belgischen SNCB aus? Während das Fernverkehrs-Team diese betrieblichen Fragen klärt überlegt man sich bei Vertrieb und Marketing bereits konkrete Aktivitäten: welche Zielgruppen sprechen wir an? Für wen könnte der Zug interessant sein? Wie wird die Preisgestaltung aussehen?

 

Oktober 2019:

ÖBB-Holding CEO Andreas Matthä verkündet bei der Fahrplan-Pressekonferenz für 2020 offiziell die neue Nightjet-Verbindung nach Brüssel. Die Reaktionen sind enorm und allesamt positiv. Die ersten Buchungsanfragen kommen heran. Das Projekt kommt in eine entscheidende Phase!

 

  1. November 2019:

Es findet das erste große Meeting zwischen ÖBB und SNCB statt um die „Willkommensfeier“ für den ersten Nightjet in Brüssel zu planen. Das ÖBB-Brüssel PR-Team mit Bernhard Rieder, Nicole Tötschinger, Julia Krutzler, Amir Taha und Sven Pöllauer plant das Event und die Medienkommunikation in Brüssel. Wen laden wir ein? Wo machen wir den Event? Wie gehen wir mit den 4 offiziellen Amtssprachen in Belgien um? Zurück in Wien wird das Event zur Abfahrt am Hauptbahnhof geplant. Beides soll aus einen Guss sein und einen roten Faden besitzen. Der Claim „Love your planet“ entsteht: als klares Zeichen, dass wer seinen Planten liebt ihn auch schützen muss und mit dem Nightjet einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

 

Dezember 2019:

Die Einladungen für die Premierenfahrt am 19. Jänner und die Events in Wien und Brüssel gehen raus. Greenpeace ruft die österreichischen EU-Abgeordneten zu einer „Nightjet-Challenge“ auf. Die Rückmeldungen sind extrem positiv: binnen weniger Tage buchen 11 der 18 österreichischen MEPs ihr Ticket für die Premierenfahrt. Sogar die Ausschussvorsitzende des Verkehrsausschusses im Europaparlament, die französische Abgeordnete Karima Delli, kommt extra nach Wien um dann mit dem Nightjet nach Brüssel zu fahren. Ein starkes Zeichen der Unterstützung!

 

  1. Jänner:

Jedes Projekt braucht eine Generalprobe. Und so macht sich eine Gruppe ÖBBler genau eine Woche vor der Premierenfahrt mit dem Nightjet auf nach Brüssel. Alles funktioniert: der Zug kommt (fast) pünktlich in Brüssel an. Die Generalprobe hat einige wichtige Dinge aufgezeigt, die am eine Woche später noch besser werden müssen. In Brüssel stehen die letzten Meetings mit der SNCB an: alle sind bereit für den großen Tag!

 

  1. Jänner:

Am Wiener Hauptbahnhof riecht es nach belgischer Waffel: die ÖBB feiern die Premierenfahrt auf belgische Art. Auch der Botschafter des belgischen Königreichs nimmt es sich nicht nehmen den Zug zu verabschieden. Unser neue Verkehrsministerin Leonore Gewessler, selbst großer Nachtzug-Fan, wünscht gute Fahrt und mit der Europa-Hymne fährt der erste Nightjet 50490 pünktlich ab Richtung Brüssel. Im Zug sind neben 11 österreichischen EU-Abgeordneten, aller Fraktionen, auch der offizielle Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr.

 

  1. Jänner:

Das vorgereiste „ÖBB Nightjet Brüssel“-Team verfolgt seit 7 Uhr früh gespannt den Zugverlauf. Was in Wien die Waffeln waren ist in Brüssel der Kaiserschmarrn: die ÖBB haben zu einem „Austrian Lunch“ in ein Hotel am Brüsseler Südbahnhof geladen. Der Andrang ist so enorm, dass am Wochenende noch der Saal für das „Welcome-Event“ gewechselt werden muss. Mehr als 150 Gäste – Medien, Vertreter Belgiens und Österreicher in Belgien – haben sich angesagt. PV-Vorständin Michaela Huber begrüßt die Ehrengäste und betont wie stolz die ÖBB sind diese neue Zugverbindung möglich gemacht zu haben. In Belgien haben Nachtzüge eine besondere Bedeutung: geschichtlich war Belgien eines der ersten Staaten Europas mit internationalen (Nacht-)zugverbindungen. Doch seit 13 Jahren fährt kein Nachtzug mehr nach Belgien. Erst letztes Jahr haben mehr als 10.000 Belgier eine Petition für neue Nachtzugverbindungen ab Belgien unterzeichnet. Der ÖBB Nachtzug wird also sehr freudig willkommen geheißen!

10:53 Uhr:

Fast 2 Minuten vor der geplanten Ankunftszeit erreicht der Nightjet 424 den Südbahnhof in Brüssel. Vor dem roten Teppich warten rund 20 Kamerateams und 60 Journalisten auf diesen historischen Moment: „night trains are back to Belgium“. SNCB-CEO Sophie Dutordoir und der belgische Verkehrsminister Francois Bellot begrüßen Andreas Matthä am Bahnsteig in Brüssel. Die ersten Fahrgäste werden von Medienvertretern geradezu belagert und freudig über ihre Reise-Erfahrungen befragt. Rund 140 Medienberichte über den Nightjet wird es in Belgien nur an diesem einen Tag geben. Auf Twitter in Belgien ist #nightjet an dem Tag unter den TOP 3 Themen. Der ÖBB-Twitter Account freut sich über rund 500 neue Follower.

 

18:04 Uhr:

Abfahrt des Nightjet 50425 von Brüssel nach Wien. Der Zug ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Unter anderem befinden sich 14 Medienvertreter und Delegationen des belgischen Parlaments und des französischen Verkehrsministeriums an Bord. Alle wollen den Nightjet selbst erleben.

 

  1. Jänner. 08:27 Uhr

Pünktliche Ankunft des ersten Nightjet von Brüssel in Wien. Das Organisations-Team ist erschöpft aber happy. Und es beginnen sofort die Planungen für die Premierenfahrt nach Amsterdam im Dezember.

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