
Biomasse ist eine wichtige Quelle erneuerbarer Energie, da sie aus nachwachsenden Rohstoffen wie Pflanzen, Holz und Abfällen gewonnen werden kann. Sie trägt dazu bei, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und eine nachhaltige und umweltfreundlichere Energieversorgung zu erreichen. Doch was steckt eigentlich genau hinter dem Modell der Energieerzeugung? Das Praxisbeispiel und Vorbildmodell in Güssing (Burgenland, Österreich) zeigt, wie die Strategie einer dezentralen und lokalen Energieerzeugung mit allen vorhandenen Ressourcen in einer Region funktionieren kann und dabei sogar netto negative Treibhausgasemissionen entstehen.
bes, 23. Februar 2023
Biomasseenergie ist eine wichtige Quelle für erneuerbare Energie in Österreich. Sie wird aus organischen Materialien gewonnen, die aus verschiedenen Quellen stammen können, wie Holz, landwirtschaftlichen Abfällen und Gülle. Diese Materialien können verbrannt oder vergärt werden, um Wärme und Strom zu erzeugen. Biomasseenergie hat viele Vorteile im Vergleich zu fossilen Brennstoffen. Zum einen trägt sie dazu bei, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und bietet eine klimaneutrale Energiequelle, da bei der Verbrennung von Biomasse keine zusätzlichen Treibhausgase freigesetzt werden. Zum anderen kann Biomasseenergie Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten schaffen und die heimische Wirtschaft stärken, indem lokale Ressourcen genutzt werden.
Biomasse als kosteneffiziente Energiequelle
Einer der größten Vorteile von Biomasseenergie ist jedoch, dass sie eine kosteneffiziente Energiequelle darstellt. Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieformen wie Wind- oder Solarenergie ist die Technologie für die Energieerzeugung aus Biomasse bereits weit fortgeschritten und kann somit bereits jetzt einen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Trotzdem gibt es auch Herausforderungen bei der Nutzung von Biomasseenergie. Eine davon ist die Übernutzung von Wäldern, die zur Folge hat, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre erhöht wird. Eine weitere Herausforderung ist die Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen, die für die Energieerzeugung aus Biomasse benötigt werden. Um diese Herausforderungen zu minimieren, ist es wichtig, dass die Politik regulierend eingreift und die Nutzung von Biomasse nachhaltig gestaltet wird. Dazu gehört, dass ausreichend Flächen für den Anbau von Biomasse bereitgestellt werden, um die Übernutzung von Wäldern zu vermeiden. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass landwirtschaftliche Flächen für die Energieerzeugung aus Biomasse nicht auf Kosten anderer landwirtschaftlicher Nutzungen bereitgestellt werden.
Biomasse gilt als der Alleskönner. Ob im Rüstabfall von Haushalten, im Hofdünger von Landwirten oder in nicht genutztem Holz: In all dieser Biomasse steckt wertvolle Energie, mit der sich Strom, Wärme und Treibstoff gewinnen lassen. Und das erst noch erneuerbar und CO2-neutral. © Schweizerische Eidgenossenschaft
Grundversorgungssicherheit nur mit Biomasse möglich
Bioenergie ist weltweit der mit Abstand bedeutendste erneuerbare Energieträger und ein wichtiger Eckpfeiler für den Ausstieg aus fossilen Heizungen, der Defossilisierung der Nah- und Fernwärme sowie der bedarfsgerechten Stromproduktion. „Ohne Bioenergie kann die Grundversorgung der Bevölkerung mit Wärme und Strom bei einem Ausstieg aus Erdgas und Erdöl nicht aufrechterhalten werden. Bei Implementierung effizienter Technologien wie die kombinierte Wärme- und Stromproduktion, hocheffiziente Biomasseheizungen, Gebäudedämmung und im Zusammenspiel mit anderen Erneuerbaren ist die Defossilisierung des Wärme-, Strom- und Fernwärmesektors praxistauglich darstellbar. Es bleibt auch ausreichend Raum für neue innovative Anwendungen im Grüngas-, Wasserstoff-, Treibstoff- und Industriebereich“, erklärt Franz Titschenbacher, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes. Das Ausbaupotenzial der Bioenergie ist in Österreich groß. Aktuell werden etwa 48 Mio. Tonnen Biomasse in Österreich umgesetzt. 13 Mio. Tonnen davon werden auch energetisch verwertet. Dieser Anteil könnte durch effizienten Biomasseeinsatz, Reststoffnutzung in der Landwirtschaft und Industrie sowie durch nachhaltige Intensivierungen – wie etwa die aktive Klimawandelanpassung des Waldes – auf bis zu 24 Mio. Tonnen erhöht werden. Für die Aufrechterhaltung der Grundversorgungssicherheit sind bei einem Ausstieg aus Erdöl und Erdgas in Abhängigkeit der Effizienzmaßnahmen 12 bis 17 Mio. t Biomasse erforderlich. Dies inkludiert den Biomasse-Bedarf für die Heizung und das Warmwasser der Bevölkerung, den Ausstieg aus der fossilen Fernwärmeerzeugung, die Treibstoffproduktion für die Land- und Forstwirtschaft sowie den Ersatz der fossilen Stromproduktion. Bei Ausnützung der nachhaltig verfügbaren Potenziale in der Land-, Forst- und Abfallwirtschaft stehen weitere 7 bis 12 Mio. t Biomasse für die Defossilisierung der Industrie, für Grünes Gas und Grünen Wasserstoff zur Verfügung.
Energie mit netto negativen Emissionen erzeugen
„Die Klimakrise ist eine Energiekrise, hervorgerufen dadurch, dass wir uns weltweit zu 80% aus fossilen Quellen mit Energie versorgen“, erklärt Univ.-Prof. Tobias Pröll, Institut für Verfahrens- und Energietechnik, Universität für Bodenkultur Wien. Bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas wird Kohlendioxid (CO2) freigesetzt, das sich in der Atmosphäre anreichert. Die Umstellung auf eine CO2-neutrale Energieversorgung hat daher oberste Priorität. Pflanzen nehmen beim Wachsen CO2 aus der Atmosphäre auf und bauen daraus Biomasse auf. Energiegewinnung aus Biomasse ist somit grundsätzlich CO2-neutral. Wird das bei der Bioenergienutzung freiwerdende CO2 abgetrennt und langfristig gespeichert, kann Energie mit netto negativen Treibhausgasemissionen erzeugt werden. Daneben erlaubt die Umwandlung landwirtschaftlicher Reststoffe zu hochwertiger Biokohle die Kohlenstoffspeicherung im Boden und schließt Nährstoffkreisläufe. „Solche biomassebasierten Negativemissionstechnologien sollten entwickelt, demonstriert und evaluiert werden, damit ihr sinnvoller Einsatz so rasch wie möglich die Energiewende unterstützt“, fordert Pröll.
In Österreich gibt es viele Projekte, die sich mit der Energieerzeugung aus Biomasse beschäftigen. Hier sind einige Beispiele:
Ein konkretes Projekt zur Energieerzeugung aus Biomasse in Österreich ist das Bioenergie-Kraftwerk in Güssing. Das Kraftwerk in Güssing ist eines der ersten Bioenergie-Kraftwerke in Österreich und wurde im Jahr 1997 eröffnet. Es nutzt Holz und andere organische Abfälle aus der Region, um Strom und Wärme zu erzeugen. Das Kraftwerk ist Teil eines größeren Projekts, das die Stadt Güssing zur „Bioenergie-Stadt“ machen soll.
Biomassekraftwerk Güssing
© EEE Europäisches Zentrum für Erneuerbare Energie
Enge Zusammenarbeit mit lokaler Landwirtschaft und Forstwirtschaft
Das Kraftwerk in Güssing ist ein gutes Beispiel dafür, wie Biomasse zur Energieerzeugung genutzt werden kann, um eine Region unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu machen. Es ist auch ein Beispiel dafür, wie die Nutzung von Biomasse die lokale Wirtschaft stärken und gleichzeitig zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beitragen kann. Das Kraftwerk in Güssing hat auch gezeigt, dass die Nutzung von Biomasse für die Energieerzeugung eine wichtige Rolle bei der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung spielen kann. Es arbeitet eng mit der lokalen Landwirtschaft und Forstwirtschaft zusammen und nutzt lokale Ressourcen, um Energie zu erzeugen.
Güssing als zukunftsweisende Energieregion
Die Region Güssing hat sich seit den 1990er Jahren durch ein umfassendes Energieeffizienzprogramm (Thermische Sanierung, LED-Einsatz) und den breiten Einsatz erneuerbarer Energieträger für Wärme- und Stromerzeugung (z. B. Fernwärme und Photovoltaik) zu einer zukunftsweisenden Energieregion entwickelt, die auch international mit ihren über 30 Demonstrationsanlagen als Ökomusterregion große Beachtung findet. Einer der Erfolgsfaktoren liegt in der engen Vernetzung und Kooperation zwischen Wirtschaft, Anlagenbau und Forschungseinrichtungen. Mit dem 2002 gegründeten Europäischen Zentrum für Erneuerbare Energie (EEE) entwickelte sich Güssing zu einem europaweit anerkannten Forschungsstandort. 2009 wurde im Rahmen des COMET-Programms das Forschungszentrum „Technikum“ mit Schwerpunkt Biomasse-Vergasung und Synthetische Treibstoffe eröffnet. Das Technikum in Güssing ist einer der Standorte des Kompetenzzentrums „Bioenergy 2020+“, an dem unter anderen die TU Wien, TU Graz und Joanneum Research beteiligt sind.
Insgesamt ist das Bioenergie-Kraftwerk in Güssing ein vielversprechendes Projekt, das zeigt, wie Biomasse zur Energieerzeugung genutzt werden kann, um eine nachhaltigere Zukunft zu erreichen.
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