Im Gespräch mit der Austrian Roadmap 2050 erläutert Dr. Margarete Schramböck, Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, wie Sie die Wirtschaft Österreichs wieder in Schwung bringen will. Welche Lehren muss der Wirtschaftsraum aus der Krise ziehen und welche Herausforderungen werden im aktuellen Digitalisierungsschub sichtbar?

Die Corona-Krise hat uns in den vergangenen Wochen eindringlich vor Augen geführt, wie wichtig eine funktionierende Infrastruktur beispielsweise für Lieferketten und somit für die Wirtschaft ist. Ist es geplant neue Konjunktur-Pakete für Österreichs Infrastruktur zu schnüren, um die heimische Wertschöpfung zu steigern und Arbeitsplätze zu sichern?

Laut Prognosen könnte das österreichische BIP in diesem Jahr um bis zu sieben Prozent sinken. Dem müssen wir entgegenwirken. Um unsere Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, bereiten wir derzeit ein Maßnahmenpaket vor. Dabei steht für uns die Schaffung und Haltung von Beschäftigung bzw. der Abbau von Arbeitslosigkeit im Vordergrund. Konkret durch: Steuerentlastungen für die arbeitenden Menschen. Der private Konsum, der in den letzten Jahren eine wichtige Stütze der österreichischen Konjunktur war, soll damit gefördert werden. Maßnahmen zur Entlastung der Wirtschaft, damit wieder Arbeitsplätze geschaffen und bestehende erhalten werden können. Und wir brauchen Investitionen, insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung und Regionalisierung.

Die europäischen Länder haben sich in den vergangenen Jahren primär auf Forschung und Entwicklung konzentriert. Zeigen uns die Lieferengpässe, beispielsweise bei Schutzausrüstung, nicht auch, dass Europa wieder verstärkt auf Produktion setzen muss? Auf welche Branchen müssten wir dabei setzen?

Ja tatsächlich – die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass wir wieder mehr in Europa produzieren müssen. Wir brauchen eine Renaissance der Produktion in Europa. Unsere Unternehmen haben sehr schnell reagiert, sodass wir jetzt etwa Schutzmasken auch in Österreich produzieren. Generell müssen wir uns wieder mehr ins Bewusstsein rufen, dass wir in Europa und vor allem in Österreich, hochinnovative Unternehmen haben, die in einer Qualität produzieren, die ihresgleichen sucht. Die Flexibilität unserer Unternehmen war und ist beeindruckend. Sie zeigen, dass sie ihre Produktion rasch umstellen können und dies in der Krise auch tun. Aber natürlich braucht es vor allem in lebenswichtigen Bereichen mehr Produktion in Europa und eine konkretere Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten – die Pharmabranche ist hier ganz sicher zuvorderst zu nennen.

Seit Ausbruch der Corona-Krise stehen alle europäischen Länder, so auch Österreich, unter enormem wirtschaftlichem Druck. Mit welchen Maßnahmen wird Österreich diesen Druck überstehen?

Um die Liquidität der Unternehmen und damit ihr Überleben zu sichern, haben wir bereits konkrete Sofortmaßnahmen gesetzt. So wurde der Notfallfonds für besonders betroffene Branchen eingerichtet, sowie Kreditgarantien und Steuerstundungen veranlasst. Insbesondere mit dem Härtefallfonds sollen die Unternehmen in ihrer Zahlungsfähigkeit unterstützt werden. Die Kurzarbeit wiederum ist ein bewährtes Instrument, um die Menschen in Beschäftigung zu halten und Kündigungen zu vermeiden. Damit wurde einerseits den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes und eines Einkommens gegeben. Andererseits müssen auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nach der Krise kein neues Personal suchen bzw. einschulen. Jedenfalls wird es nach dem vollständigen „Hochfahren“ der Wirtschaft ein Konjunkturpaket geben müssen.

Betrachtet man den europäischen Binnenmarkt, konnten wir seit Ausbruch der Krise viele nationale Einzelmaßnahmen beobachten. Welche Lehren muss Europa für die Zukunft ziehen, damit der europäische Markt gegenüber beispielsweise den USA und China bestehen kann?

Österreich erwirtschaftet einen großen Teil seines Wachstums auf internationalen Märkten, wir sind ein Exportchampion. In Zukunft muss daher das Programm für den Wirtschaftsstandort Österreich durch ein Binnenmarkt- und Außenwirtschaftsprogramm ergänzt werden. Der EU-Binnenmarkt braucht einen Neustart. Es darf nicht mehr passieren, dass innerhalb der EU Lieferungen blockiert werden oder wir uns Schutzausrüstung gegenseitig streitig machen. In der EU-Industriepolitik muss Resilienz neben Nachhaltigkeit und Digitalisierung einen Schwerpunkt bilden, die Modernisierung des EU-Wettbewerbsrechts muss vorangetrieben und der Schutz von Investitionen im Binnenmarkt verbessert werden. Die Lieferengpässe im Medizin- und Pharmabereich zeigten auch die Bedeutung internationaler Regeln auf. Wir unterstützen daher die Bemühungen für ein internationales Pharma-Abkommen. Der EU kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Umso wichtiger sind moderne EU-Handelsabkommen, wie sie zurzeit z.B. mit Australien und Neuseeland verhandelt werden. Mit gestärkten Nachhaltigkeitskapiteln tragen diese nicht nur zur Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft bei, sondern leisten auch einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise.

Seitdem der überwiegende Teil der Bevölkerung ins Home-Office übergegangen ist, sprechen viele von einem regelrechten Digitalisierungsschub. Welche Lehren ziehen Sie aus der Krise, um den digitalen Wirtschaftsstandort Österreich weiter auszubauen?

In Folge der Corona-Krise mussten viele Betriebe auf mobiles Arbeiten umstellen. Dass die dafür notwendigen Tools rasch verfügbar sind, war und ist mir als Digitalisierungsministerin ganz wichtig. Mit der Initiative „Digital Team Österreich“ gibt es hier einen Zusammenschluss von Unternehmen aus der Digitalisierung, die viele digitale Dienste für KMU für bestimmte Zeit kostenlos anbieten.

Auch durch die derzeit großflächige Nutzung und Anwendung von „Home-Schooling“ und „Home-Working“ sind neue Herausforderungen sichtbar geworden. Um diesen zu begegnen, etwa im elektronischen Handel, haben wir auf oesterreich.gv.at einen neuen, einen österreichischen Marktplatz geschaffen. Weiters arbeiten wir an einem Investitionskontrollgesetz, um den Ausverkauf von zentralen Unternehmen aus dem Ausland als Folge der Corona-Krise zu verhindern. Auch die digitalen Angebote der Verwaltung, deren Nutzung einen Anstieg verzeichneten, müssen weiter ausgebaut werden. Die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung, vor allem der älteren Generation, müssen weiter gesteigert werden, damit alle Menschen in Österreich die Digitalisierung zu ihrem Vorteil nutzen können. Wir wollen keine Digitalisierungsverlierer in unserem Land – und wir wollen Österreich zu einer der führenden Digi-Nationen Europas machen.

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