„Raus aus Gas“ ist nicht erst seit den Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ein erklärtes Ziel für die Wiener Energie- und Wärmeversorgung. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Pfad zur klimaneutralen Großstadt ist die Nutzung von Tiefengeothermie. Die konkreten Pläne dafür hat Wien Energie im Rahmen eines Pressegesprächs mit Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke nun vorgestellt.

Damit Wien in Zukunft klimaneutral und unabhängig von fossiler Energie wird, braucht es nachhaltige Energiequellen. Eine besondere Rolle nimmt dabei die Tiefengeothermie ein, schließlich ist die Nutzung von Erdwärme aus großer Tiefe eine emissionsfreie, saubere und sichere Alternative, um Gebäude zu heizen. Und dank eines riesigen Thermalwasservorkommens in einigen Kilometern Tiefe verfügt die Bundeshauptstadt über gute Voraussetzungen dafür.

Funktionsweise einer Tiefengeothermie-Anlage. © Wien Energie

„Mit der Nutzung von Tiefengeothermie für die Wärmeversorgung verfolgen wir unseren Wiener Klimafahrplan konsequent weiter und machen unsere Stadt bis 2040 CO₂-neutral. Dank dem Thermalwasservorkommen direkt unter der Stadt und dem gut ausgebauten Fernwärmenetz befinden wir uns auch im europäischen Vergleich in einer einzigartigen Ausgangslage, um Haushalte mit klimaneutraler Wärme versorgen zu können“, bekräftigt Stadtrat Peter Hanke.

Errichtung der ersten Tiefengeothermie-Anlage für Wien

Dieser „Schatz in der Tiefe“ soll künftig durch die Errichtung der ersten Tiefengeothermie-Anlage für Wien genutzt werden. Wien Energie setzt dieses Leuchtturmprojekt um und rechnet dafür mit einem Investitionsvolumen in der Höhe von rund 80 Millionen Euro. Das Klimaschutzministerium fördert das Projekt mit rund 8 Millionen Euro. Der Start der Vorarbeiten für die Errichtung der Anlage ist für 2023 geplant. Die Tiefengeothermie-Anlage soll künftig klimaneutrale Fernwärme mit bis zu 20 Megawatt erzeugen, die exakte thermische Leistung kann aber erst nach einer erfolgreichen Erkundungsbohrung final bestimmt werden. Um die Anlage noch effizienter zu machen, plant Wien Energie zudem den kombinierten Betrieb mit einer Wärmepumpe.

Nach eingehender Vorbereitung und Prüfung aller Faktoren wurde beschlossen, mit der Umsetzung dieses Vorhabens zu beginnen. Als optimaler Standort der neuen Anlage wurde ein Areal am Rande der Seestadt Aspern identifiziert, das Wien Energie derzeit von der Wien 3420 aspern Development AG erwirbt, um in weiterer Folge die erforderlichen Genehmigungen für die Bohr- und Bauarbeiten einholen zu können. Sofern alle damit verbundenen Verfahren plangemäß verlaufen, kann mit den Vorarbeiten für die Bohrungen 2023 begonnen werden. Die Bohrarbeiten finden 2024 statt, die Inbetriebnahme der Tiefengeothermie-Anlage ist für 2026 vorgesehen. Diese Pilotanlage ist der erste große Meilenstein für den zügigen weiteren Ausbau der Tiefengeothermie in Wien. Bis 2030 will Wien Energie insgesamt bis zu vier Tiefengeothermie-Anlagen in der Donaustadt und Simmering mit einer Gesamtleistung von bis zu 120 Megawatt entwickeln. Der Ausbau der Tiefengeothermie soll auch nach 2030 fortgesetzt werden, damit die Fernwärme bis 2040 gänzlich aus klimaneutralen Quellen erzeugt wird.

„Wir geben grünes Licht für die Wärmewende! Das Ziel lautet: Raus aus Gas – und die Erschließung der Tiefengeothermie ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Mit unserer ersten Tiefengeothermie-Anlage für Wien wollen wir bereits ab 2026 bis zu 20.000 Haushalte mit grüner Wärme aus der Tiefe versorgen können“, so Michael Strebl, Vorsitzender der Geschäftsführung von Wien Energie.

Technisch anspruchsvolles Projekt

Zur Erschließung des Thermalwassers sind mehrere Bohrungen in über 3.000 m Tiefe erforderlich. Aufgrund dieser Tiefe, die etwa hundertmal tiefer als die tiefste U-Bahn-Station Wiens liegt, und da die Bohrungen nur einen Durchmesser von ca. 30 cm haben, ist dabei mit keinerlei Auswirkungen wie etwa Vibrationen an der Erdoberfläche zu rechnen. Technisch anspruchsvoll sind Bohrungen in solchen Tiefen aber dennoch.

So sind die Bohrungen in Aspern geplant. © Wien Energie

Mit einer Erkundungsbohrung wird die Beschaffenheit und Verfügbarkeit des Thermalwassers am gewählten Standort untersucht. Nach der erfolgreichen Erkundungsbohrung werden zwei weitere Bohrungen durchgeführt. Für die geplante Nutzung kommt ein System namens „Hydrothermale Dublette“ zum Einsatz. Dafür wird zunächst rund ein Kilometer senkrecht in die Tiefe gebohrt, danach verlaufen die Bohrungen schräg in entgegengesetzte Richtungen bis auf eine Tiefe von rund 3.000 bis 3.500 Meter. Über eine der Bohrungen wird das Thermalwasser mittels einer Förderpumpe an die Oberfläche befördert. Nach der Wärmeentnahme an der Oberfläche über Wärmetauscher wird das Thermalwasser über die zweite Bohrung wieder in das gleiche Thermalwasservorkommen zurückgeführt, es entsteht damit ein geschlossener erneuerbarer Kreislauf. Der Entnahme- und der Rückgabepunkt des Thermalwassers liegen dabei rund 4 Kilometer voneinander entfernt. Die in der Tiefengeothermie-Anlage gewonnene Wärme wird anschließend in das Fernwärmenetz eingespeist.

Umfassende Erkundung der Geologie abgeschlossen

Die Nutzung von Tiefengeothermie in Wien ist nur deshalb möglich, weil sich mit dem „Aderklaaer Konglomerat“ eine wasserführende Gesteinsschicht unterhalb der Bundeshauptstadt befindet. Als wichtige Grundlage für die Erschließung dieses Vorkommens hat Wien Energie gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft, Forschung und Industrie im Forschungsprojekt „GeoTief Wien“ in den letzten Jahren eine umfassende Untersuchung der geologischen Gegebenheiten unter der Stadt vorgenommen.

Die wissenschaftlichen Ergebnisse beruhen auf einer umfangreichen seismischen 3D-Erkundung des „Aderklaaer Konglomerats“. Das Forschungsteam konnte aber auch die seit 2012 bestehende Tiefenbohrung von Wien Energie in Essling für einen erfolgreichen Fördertest im Aderklaaer Konglomerat nutzen. Nachdem sich die technischen Mittel zur Erkundung und Nutzung geothermischer Vorkommen in den letzten Jahren entsprechend weiterentwickelt haben, ist das Projektteam von Wien Energie zuversichtlich, dass die neuen Bohrungen auf Basis der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse erfolgreich verlaufen werden. Wie schon beim Forschungsprojekt „GeoTief Wien“ arbeitet Wien Energie mit der OMV zusammen, die aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erfahrung und ihrer technischen Expertise für die geologische Planung der Bohrungen zuständig sein wird.

CO₂-Einsparungen und Potenzial für Wien

Das Thermalwasservorkommen unter der Stadt ist so groß, dass bis 2030 bis zu 125.000 Wiener Haushalte mit Fernwärme aus Tiefengeothermie versorgt werden könnten. Das entspricht einer jährlichen CO₂-Einsparung von 325.000 Tonnen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Errichtung weiterer Tiefengeothermie-Anlagen im Stadtgebiet geplant, die in Summe bis zu 20 Prozent der Fernwärme-Gesamterzeugung abdecken können.

Zu den Vorteilen der Tiefengeothermie zählt, dass es sich dabei um eine CO₂-neutrale Energiequelle handelt, die lokal und rund um die Uhr verfügbar ist und dementsprechend unabhängig von (fossilen) Energieimporten ist. Tiefengeothermie ist eine verlässliche und nach menschlichem Ermessen nahezu unerschöpfliche Ressource, die Wärme und Strom langfristig und zu stabilen Preisen zur Verfügung stellt. Darüber hinaus hat die Tiefengeothermie im Gegensatz zu anderen Alternativenergien einen geringen Flächenbedarf und ist entsprechend landschaftsschonend. Die Anlage selbst ist im Betrieb komplett emissionsfrei.

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