
Im Interview mit der Austrian Roadmap 2050 gibt IV-Wien Präsident Mag. Christian C. Pochtler Einblicke in die Bedürfnisse und Anforderungen des Wirtschaftsstandortes Wien. Welche Maßnahmen sind heute wichtig, um die Wettbewerbsfähigkeit von Morgen zu garantieren?
Wir leben in einer Zeit von Reisewarnungen, Homeoffice und Clustern. Wie geht die Wiener Industrie damit um?
Das Coronavirus hält die Welt weiterhin in Atem und gerade in der Wirtschaft entfaltet es eine neue Realität, mit der wir sicher noch eine Zeit lang leben werden müssen. Unsere Unternehmen haben in den vergangenen, sehr herausfordernden Wochen und Monaten – auch dank der Corona-Kurzarbeit – alles darangesetzt, Arbeitsplätze zu erhalten. Nun ist es wichtig, differenzierte Maßnahmen zu setzen, um die Wettbewerbsfähigkeit gerade in den Zukunftsbranchen zu steigern.
Wo setzt man jetzt gleich in der Wirtschaft an?
Es gibt für mich zwei Dinge, die wir vermeiden sollten: Einerseits einen zweiten Lockdown. Hier sind jede Einzelne und jeder Einzelne gefragt, vernünftig zu agieren, um die Verbreitung des Virus zu stoppen. Wichtig ist dabei, dass Wien nicht noch stärker zur „corona-gefährdeten Stadt“ wird, damit der freie Personenverkehr, insbesondere in Europa, soweit wie möglich weiter gewährleistet bleibt. Zentral ist daher die Intensivierung von Monitoring und Screening mit schneller Erfassung, wie etwa im Rahmen der Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative und eine Ausweitung auf die Betriebe. Andererseits sollten wir vermeiden, dass Hilfsgelder falsch alloziert werden & Zombie-Unternehmen künstlich am Leben erhalten werden. Jetzt braucht es ganz dringend Wachstum durch Investitionen in Innovation und Produktivität.
Was braucht es dafür von Seiten der Politik?
Mehr denn je braucht es entschlossene, innovationsorientierte Unternehmen, die hochqualitative Arbeitsplätze schaffen. Die Politik muss dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Konkret heißt das für mich: Erstens, Förderung von vor allem privatem Risikokapital. Zweitens, eine umfassende Bildungs- & Qualifizierungsoffensive für unsere Stadt. Drittens, gezielte öffentliche Investitionen in die technologische Transformation und in den Aufbau neuer nachhaltiger Arbeitsfelder und zu guter Letzt braucht es eine Beschleunigung der öffentlichen Entscheidungsprozesse.
Und was sind die wichtigsten Maßnahmen für ein internationales Umfeld?
Um auf internationaler Ebene noch erfolgreicher mitspielen zu können, benötigen wir jedenfalls eigenkapitalstärkende Maßnahmen für unsere Unternehmen. Die Senkung der KöSt sowie die Abzugsfähigkeit fiktiver Eigenkapitalzinsen stehen hier ganz oben auf meiner Prioritätenliste. Aber auch der weitere Abbau der Bürokratie und die steuerlichen Nachteile für Mitarbeiterbeteiligung sollten wir rasch angehen.
Sie sind nun genau ein Jahr Präsident der IV-Wien. Was können Sie rückblickend über dieses Jahr im Amt sagen?
Die Welt, in der ich Präsident der IV-Wien wurde, war geprägt von der Bildung einer neuen Bundesregierung in einer für alle komplett neuen Konstellation. So sind doch die Grünen erstmals mit an Bord. Damit wurde das Klima zur Causa Maxima erhoben. Dann brach die Covid-Pandemie über uns herein und wurde zur neuen Causa Maxima. Das war einerseits fordernd in meiner Rolle als Eigentümer eines international agierenden Technologieunternehmens, der sich verantwortungsvoll für die Mitarbeiter und Gesellschaft verhält. Andererseits bleiben auch alle andere Themen, wie Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit bestehen. Als Industrievertreter musste ich natürlich auch intensiv überlegen, wie wir hier agieren und die Politik beraten, um unseren Standort zu sichern.
Die Industrie schaut auf viele Boom-Jahre zurück – heuer läuft es alles andere als gut. Wie zuversichtlich sind Sie für die Zukunft?
Wir befinden uns derzeit in einer konjunkturell sehr schwierigen Phase. Ich bin trotzdem zuversichtlich, denn das Wichtigste in der Industrie ist Planbarkeit in Form stabiler politischer Rahmenbedingungen. Diese haben wir auf Bundesebene und hoffentlich rasch nach den Wahlen auch wieder auf Wien-Ebene. Sobald wir diese haben, und einen sicheren und verfügbaren COVID-Impfstoff bin ich schon für 2021 wieder optimistisch.
Abschließend: Die Wien-Wahl ist geschlagen. Wie geht es jetzt weiter?
Ich sehe mich als Partner der Wiener Politik, insbesondere der Stadtregierung. Ich treffe regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter beider Regierungsparteien. Für mich ist wichtig, dass ein Weg gefunden wird, der den Menschen wie auch der Wirtschaft Raum gibt, sich in Wien zu entfalten. Oft vergisst man dabei, dass es in unserer Stadt auch einen großen produzierenden Sektor und davon abhängige Zulieferer und Dienstleistungen gibt, die enorm viele Arbeitsplätze schaffen. Die Krise hat uns gezeigt, wo wir ansetzen müssen, um resilienter für die Zukunft aufgestellt zu sein. Unsere Stadt ist gerade jetzt auf Investitionen der Unternehmen in neue Geschäftsfelder angewiesen. Diesen Weg sollten wir alle gemeinsam angehen, damit wir unsere Zukunft sichern. Die nächsten Jahre könnten so zur Sternstunde für das industrielle Unternehmertum werden.
Die Industriellenvereinigung (IV) Wien ist die freiwillige unternehmerische Interessenvertretung in der Stadt Wien und betreut aktuell mehr als 1.000 Mitglieder, vorwiegend große und mittelständische Unternehmen. Sie arbeitet in enger Kooperation mit der Bundes-IV und deren Büro in Brüssel. Als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik engagiert sich die IV-Wien für standortpolitische Themen. Die IV-Wien treibt Projekte in den Schwerpunktbereichen Technologiestandort, Innovation & Forschung, Infrastruktur sowie Bildung & Qualifizierung voran.
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