Der Sondergipfel der EU-Staats- und -Regierungschefs ist am späten Montagabend zu einer Einigung gekommen, um das Sanktionspaket mit einem Embargo für russisches Erdöl auf den Weg zu bringen. EU-Ratspräsident Michel: Zwei Drittel der Importe werden sofort unterbunden. Weitere Milliardenhilfen für die Ukraine wurden zugesagt.

Die EU hat sich auf ein sechstes Sanktionspaket einschließlich des seit Wochen umstrittenen Öl-Embargos gegen Russland verständigt. Dies teilte EU-Ratspräsident am späten Montagabend nach Beratungen beim EU-Sondergipfel in Brüssel auf Twitter mit. „Einigkeit. Einigung auf ein Verbot des Exports von russischem Öl in die EU“, schrieb Michel. Das Embargo betreffe „sofort“ mehr als zwei Drittel aller Ölimporte aus Russland. Beschlossen wurden auch neue Milliardenhilfen für Kiew.

Ziel ist „maximalen“ Druck auf Russland auszuüben

Mit dem Embargobeschluss verliere das Land eine „riesige Finanzquelle für seine Kriegsmaschinerie“, betonte Michel. Tatsächlich geben die EU-Staaten nach Expertenberechnungen jeden Tag hunderte Millionen Euro für russisches Öl aus. Man übe „maximalen Druck“ auf das Land aus, „den Krieg zu beenden“, betonte Michel. Außerdem werde die staatliche Sberbank aus dem Bankenkommunikationssystem SWIFT ausgeschlossen, und die EU verbiete auch drei russische Staatssender. Zudem gebe es weitere Sanktionen gegen Personen, die für Kriegsverbrechen verantwortlich seien. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa gab Michel zudem weitere Finanzhilfen in Höhe von neun Milliarden Euro für die Ukraine bekannt. Mit dem Geld soll die Ukraine laufende Kosten etwa für Pensionszahlungen und den Betrieb von Krankenhäusern decken können. Unklar ist, wie viel Geld als Zuschuss und wie viel als Kredit ausgezahlt werden soll. Auch der Wiederaufbau der Ukraine wurde besprochen. Es sei wichtig, dass man auf diesen Moment vorbereitet sei, so von der Leyen.

Importe von russischen Öl bis Jahresende um 90 Prozent reduzieren

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Einigung. „Damit werden die Importe russischen Öls in die EU bis Jahresende faktisch um 90 Prozent reduziert“, teilte kurz nach Mitternacht auf Twitter mit. Von der Leyen hatte sich vor Gipfelbeginn noch skeptisch gezeigt, was eine Einigung betrifft. Zugleich musste sie sich massive Kritik der EU-Chefs an der Vorgangsweise der Brüsseler Behörde anhören.

Pipelineregelung in Ungarn nur vorübergehend

Zum Auftakt des Gipfels hatten die EU-Chefs noch ihren Dissens bekräftigt. Insbesondere der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban positionierte sich gegen einen im Vorfeld präsentierten Kompromissvorschlag, der die Lieferung von russischem Öl über Pipelines weiter erlaubt hätte. Orban begrüßte zwar die Pipeline-Ausnahme, forderte aber zusätzliche Garantien. Auch eine weitere Ausnahme kommt Ungarn zugute: Sollte es zu einem Lieferausfall russischen Pipelineöls kommen, dürfe Ungarn aus einer anderen Quelle russisches Öl beziehen, schreibt „Politico“ (Onlineausgabe) und beruft sich auf Diplomaten. Mehrfach wurde von der Kommissionspräsidentin betont, dass es sich bei der Pipelineregelung um eine vorübergehende Ausnahme handle.

Der ungarische Präsident forderte Garantien für eine Zustimmung zu einem Kompromiss. Zwar sei der in Aussicht gestellte Ansatz, Öllieferungen über Pipelines auszunehmen, „gut“, aber Ungarn brauche Garantien für den Fall, dass die Pipeline blockiert werde, sagte Orban beim Eintreffen im Ratsgebäude. Diese dürfte er nun erhalten haben. Der EU-Kommission warf er „unverantwortliches Verhalten“ vor: „Zuerst brauchen wir Lösungen, dann Sanktionen.“

Nehammer zeigt für Orban Verständnis

Ähnlich kritisch gegenüber der EU-Kommission äußerte sich auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Vorfeld. Er monierte, dass die Brüsseler Behörde einen Vorschlag präsentiert habe, statt zuerst zu verhandeln. Nehammer zeigte Verständnis für die „Sorgen“ Ungarns und wies darauf hin, dass Österreich stark von russischem Gas abhängig sei. Der Bundeskanzler bremste unterdessen bereits im Hinblick auf künftige Sanktionen: Ein Einfuhrverbot für russisches Gas sei für ihn „kein Thema“, „auch bei einem nächsten Sanktionspaket“, sagte er zu Beginn des zweiten Gipfeltages. Öl könne man viel leichter kompensieren als Gas, sagte Nehammer. Das nun beschlossene Ölembargo sei dennoch mit Sicherheit für die EU-Staaten „schmerzhaft“. „Aber man muss realistisch sein. Die Schmerzen, die wir erleiden, sind nichts“, so Nehammer, im Vergleich zu jenen, die die „ukrainische Bevölkerung zu erleiden hat.“

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) begrüßte die Einigung. „Die EU beweist einmal mehr, wir stehen geeint hinter der Ukraine. Das ist ein wahres Zeichen von europäischer Stärke“, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA. „Wir müssen aufhören, dass interne Diskussionen über noch nicht beschlossene Maßnahmen immer gleich als Spaltung und Schwäche gesehen werden.“

Gipfel geht am Dienstag in die nächste Runde

Nach der grundlegenden Einigung auf die neuen Sanktionen könne das Paket nun von den Staaten auf den Weg gebracht werden, sagte von der Leyen bei der Pressekonferenz. Michel sagte, dass die politische Einigung bereits am Donnerstag von den EU-Botschaftern in Rechtsform gegossen werden solle.

Auf der Tagesordnung standen auch Themen wie die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung und die Energiepreise. Dabei geht es auch um die vorübergehende Einführung von Preisobergrenzen, die unter anderem von Österreich unterstützt wird. Diese Punkte werden am Dienstag von den EU-Staats- und -Regierungschefs besprochen.

(31. Mai 2022, Sandra Beck)

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