Ulli Sima geht in ihr 18. Jahr als Stadträtin in Wien. Die „gelernte Klimaschützerin“ mit Global 2000 Vergangenheit ist seit 2004 für Schlüsselressorts der Stadt verantwortlich gewesen, die ganz wesentlich für die Infrastruktur Wiens wirken. Jetzt ist ihr neues Ressort Innovation, Stadtplanung & Mobilität. Das Interview.

ROADMAP: Gehen wir doch gleich in die Ressorts und ins Detail – E-Government ist mehr als ein Ziel, sondern schon ein fortgeschrittenes Thema. Viele Dinge in der Stadt gehen bereits online in Echtzeit. Was sind die kommenden Meilensteine der IKT-Strategie (Anm.: Informations & Kommunikationstechnologie) der Stadt?

ULLI SIMA: Was die direkte Kommunikation zwischen Verwaltung und BürgerInnen mittels digitaler Technik betrifft, war Wien in Österreich absolute Vorreiterin. Das virtuelle Amt, als die digitalen Amtshelferseiten, sind anderen Bundesländern, aber auch dem Bund insgesamt, ein Vorbild und werden weiter ausgebaut. Es ließen sich unzählige Beispiele anführen, aber ein besonders schönes ist das Projekt BRISE, das in Zukunft die digitale Baugenehmigung ermöglicht. Damit verhelfen wir BürgerInnen einerseits zu einer unkomplizierten, zeit- und kostensparenden Baueinreichung. Die Verwaltung profitiert ihrerseits durch eine effiziente aber auch transparente Abwicklung des Verfahrens.

Ein weiteres gutes Beispiel ist der digitale Helfer der Stadt „WienBot“, der zum mittlerweile preisgekrönten Corona-Aufklärer wurde. Wir alle wissen, dass die Corona-Krise und die gerade begonnene Impfphase zu einem erhöhten Informationsbedarf in der Bevölkerung führt. Die öffentlichen Dienste der Stadt erlebten ab dem Beginn der Pandemie eine besondere Belastungsprobe und standen vor der Herausforderung, die täglichen Aktualisierungen der Situation bezüglich Schutzmaßnahmen und Anweisungen an die Bürger zu koordinieren und in einfacher Sprache zu kommunizieren. Besonders stark gefragt war vor allem das Gesundheitstelefon 1450. Um dieses zu entlasten, hat die Stadt Wien nun den digitalen Assistenten „WienBot“ zu einem „CoronaBot“ aufgerüstet. Die bereits existierende App-Installation „WienBot“ wurde mit mehreren tausend Fragen und Fachbegriffen zum Thema Corona trainiert. Die Stärken der automatisierten Kommunikation konnten dadurch voll ausgeschöpft werden. Fragen zu eingeschränkten Öffnungszeiten, aktuellen Richtlinien und Schutzmaßnahmen oder zur Corona- Hilfe werden sogar schneller als mit Google beantwortet.

 RM: „Wien leuchtet“ – auch als Vorbild? Wie stehen wir in der Umstellung auf die stromsparende und sehr zielgerichtet einsetzbare LED Technologie in Wiens Straßenbeleuchtung?

SIMA: „Wien leuchtet“ ist ein absolutes Vorbild in Sachen Klimaschutz! Wir starten dieser Tage mit Phase zwei – sprich wir tauschen 80.000 sogenannte „Ansatzleuchten“ mit energiesparenden LED-Lampen, senken damit den Energieverbrauch weiter enorm. Phase eins wurde mit Jahresbeginn bereits abgeschlossen, dabei wurden in den letzten Jahren ganze 50.000 Seilhängeleuchten getauscht – die Bilanz ist bemerkenswert für den Klimaschutz: 60 Prozent weniger Energieverbrauch, wir sparen damit 11,3 Millionen KwH, das entspricht dem Energiebedarf von 2.500 Haushalten – wir sprechen von 700 Tonnen CO2 pro Jahr!

RM: Wien hat z.B. mit Aspern 3420 oder gerade mit dem Nordbahnhof international beachtete Stadtentwicklungsprojekte. Wo liegen die zu entwickelnden Stadtteile von morgen und übermorgen, die Wien ins Auge fasst – und wie lauten die Vorgaben für eine nachhaltige Entwicklungspolitik?

SIMA: Vorausschicken möchte ich, dass wir in Sachen Stadtentwicklung in erster Linie auf Flächen setzen, die schon versiegelt waren, die sogenannten „brown fields“. Während andere Bundesländer oftmals Grünflächen zubetonieren und verbauen, nutzt Wien, wann immer es möglich ist, ehemalige Industrie- und Bahnhofsareale und ähnliche Flächen. Dadurch ist Wien mit knapp 30 Prozent Versiegelungsgrad im Vergleich mit anderen Großstädten unter den Besten in Europa. Mit der Nachnutzung dieser Areale geht Wien einen Weg entgegen der allgemeinen, bundesweiten Entwicklung. Denn durchschnittlich werden in Österreich jeden Tag rund 13 Hektar Grün- und Ackerland verbaut. Und das obwohl landesweit rund 40.000 Hektar Industrieareale brachliegen – das entspricht der Gesamtfläche Wiens. Als Beispiel möchte ich hier das Gebiet rund um den Hauptbahnhof nennen, aber auch die großen Flächen am Nordbahnhof und am Nordwestbahnhof – das waren alles brachliegende Bahnhofs oder Betriebsgebiete, die wir für die Stadtentwicklung nützen. Wir setzen in der Stadtentwicklung auf geförderten Wohnbau, auf gute Bildungsangebote und was mir ganz wichtig ist: auf viele Grün- und Freiräume auch in neuen Stadtentwicklungsgebieten.

RM: Und jetzt zum dem, in der öffentlichen Diskussion, wichtigsten Thema: Dem Straßenbau und der Verkehrsplanung. Wem gehört die Stadt? Welche Mobilitätssparten werden in Wiens intermodalem Mix von heute und morgen den Ton angeben?

SIMA: Das ist wahrlich eine zentrale Zukunftsfrage und meine Antwort ist hier sehr klar: Die Klimamusterstadt Wien setzt in erster Linie auf den weiteren Ausbau der Öffis, wie gerade aktuell mit dem Jahrhundertprojekt U2/U5, wo dieser Tage der Spatenstich erfolgte. Wir setzen ganz klar auf weitere Attraktivierung und Beschleunigung der Öffis. Mir ist auch ganz wichtig, das Augenmerk auf die sogenannte „letzte Meile“ zu legen – und da setzen wir auf moderne Sharing-Modelle, um den Weg von der Straßen- oder U-Bahn nach Hause oder ins Büro einfach zu bewältigen – mit unterschiedlichen Sharing-Angeboten für Räder, Scooter, (E-)Taxis und irgendwann auch selbstfahrende Busse, das geht vermutlich schneller als wir heute denken. Die Wiener Linien werden die zentrale Plattform fürs moderne Sharing sein. Ziel ist es, sich in unserer Stadt umweltfreundlich und bequem fortzubewegen, ohne ein eigenes Auto besitzen zu müssen.

Wir danken Stadträtin Ulli Sima für das ausführliche Interview!

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