2020 war das Jahr der Herausforderungen, Österreichs Wirtschaft und Infrastruktur musste sich beweisen. Wir gehen jetzt in ein neues Jahr voller neuer Hoffnung und wagen einen Neustart. Diese Woche haben wir mit Andreas Matthä, dem CEO der ÖBB Holding AG und Präsident der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (ÖVG), über das neue Jahr und Zukunftsvisionen gesprochen.

Herr Matthä, wie sehen Sie die aktuelle Ausgangslage bei den ÖBB für das Jahr 2021?

Die COVID-Krise hat die Menschen und die Wirtschaft weltweit erschüttert. Prinzipiell blieb kein Unternehmen von den Auswirkungen der Corona-Pandemie verschont. Auch uns als ÖBB hat es hart getroffen. Neben drastischen Fahrgastrückgängen mussten wir auch Mengenrückgängen im Schienengüterverkehr verzeichnen. Die nächsten Monate werden noch einmal „tough“ – nun heißt es durchhalten. Ich bin jedoch optimistisch, dass die Fahrgäste danach wieder zurückkehren werden, die Reiselust wird, wenn wir mal eine gewisse Durchimpfungsrate haben und die Maßnahmen der einzelnen Länder es ermöglichen, hoch sein. Derzeit fahren wir im Inland im Normalbetrieb, im internationalen Betrieb haben wir aktuell klarerweise ein eingeschränktes Angebot. Wir bleiben auch in diesen schwierigen Zeiten das Rückgrat unseres Mobilitätssystems und transportieren all jene, die unterwegs sein müssen. Auch in diesen herausfordernden Zeiten stellen wir uns der Verantwortung als Arbeitgeber, als Mobilitätsgarant und als zuverlässiger Transportpartner. Intern haben wir bereits vor einigen Monaten eine Teststrategie entwickelt, aktuell konkretisieren wir unsere Impfstrategie.

Welche Challenges erwarten die ÖBB dieses Jahr? Können Sie uns einen kurzen Jahresvorausblick geben?

Aufgrund der Entwicklung der COVID-Pandemie sind Prognosen derzeit schwierig zu treffen. Vor allem das erste Halbjahr 2021 wird noch wesentlich von Corona und dem wirtschaftlichen Einschnitt geprägt sein. Wir fahren aber alle noch im Nebel und hoffen, dass er sich bis zum Sommer langsam lichten wird. Dann können wir wieder Vollgas geben. Wir werden als ÖBB unsere Angebote im Personen- und Güterverkehr weiter verbessern, unsere Position als Gesamtmobilitätsdienstleister ausbauen und – selbstverständlich unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Um die Verkehrsverlagerung voranzutreiben wollen wir auch unser Angebot „ÖBB 360“ weiter ausbauen. Der Öffentliche Verkehr muss in Zukunft die ‚erste und letzte Meile‘ integrieren. Die KundInnen erwarten einfache, umweltfreundliche Angebote, die komplett vernetzt sind. Wir bieten Städten und Regionen genau diese integrierten Konzepte für die ganze Mobilitätskette an. In Korneuburg haben wir im Sommer 2020 dieses Angebot bereits umgesetzt.

Auch im internationalen Nachtzugverkehr tut sich einiges. Im letzten Jahr haben wir eine große Kooperation mit den Bahnen in Frankreich, Deutschland und der Schweiz zum Ausbau des Nachtzugangebots beschlossen. Ab Dezember 2021 können Sie in Wien in einen Nachtzug einsteigen, und in der Früh in Paris aussteigen. Davor wollen wir noch im Frühjahr, je nachdem wie sich die Corona-Pandemie entwickelt, den Nachtzug nach Amsterdam starten.

Auch im Schienengüterverkehr wollen wir unsere Wachstumsstrategie fortsetzen. Digitalisierungsprojekte, wie etwa die digitale Automatische Kupplung, werden uns dabei vorwärtsbringen. Das Kundensegment, das wir in den kommenden Jahren im Güterverkehr noch stärker ansprechen wollen, sind mittelständische Kunden. Denen wollen wir attraktive Tür-zu-Tür-Angebote machen. Das kann intermodal geschehen oder auch als konventioneller Transport mit einem Lkw im Vor- und Nachlauf. Wir wollen auch den Kunden, die über keinen Gleisanschluss verfügen, eine attraktive, komplette Transportlösung anbieten. Wie Sie sehen, wir haben noch viel vor, und werden gestärkt aus der Krise herauskommen.

Warum ist es gerade auch dieses Jahr so wichtig in die Schieneninfrastruktur zu investieren?

Gegen die Corona-Pandemie gibt es schon einen Impfstoff. Gegen den Klimawandel haben wir leider kein Medikament. Er ist existenzbedrohend für uns alle – weltweit! Aber wir können alle (noch) etwas gegen den Klimawandel tun. Mit dem Green Deal der Europäische Kommission soll Europa bis 2050 klimaneutral sein, Österreich will dies bereits 2040 erreichen. Wenn wir die Klimaziele nicht schaffen werden Straf- bzw. Kompensationszahlungen in Milliardenhöhe fällig. Wir als ÖBB werden im Mobilitätsbereich bereits 2030 klimaneutral sein (konzernweit 2040). Der Vergleich macht sicher: eine Pkw-Fahrt verursacht 27 Mal mehr CO2-Emissionen als eine Fahrt mit den ÖBB! Beim Lkw liegt das Verhältnis bei 40:1 und beim Flugverkehr sogar bei 51:1. Die ÖBB haben allein in Österreich im letzten Jahr (im Vergleich zum Straßenverkehr) 4,2 Millionen an CO2-Emissionen eingespart. Mit den Maßnahmen unserer ÖBB Klimaschutzstrategie wollen wir ab 2030 in Summe 2,4 Millionen an Treibhausgasemissionen pro Jahr zusätzlich einsparen. Damit wir das erreichen investieren wir in den Ausbau der Elektrifizierung, in alternative Antriebe, erneuerbare Energie, Digitalisierung, Energieeffizienz und in die Verkehrsverlagerung. Ohne den Ausbau der Bahn, werden wir die Klimaziele nicht erreichen.

Welchen Mehrwert schafft die Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft, und warum sollte man dieses Jahr die ÖVG ganz genau verfolgen?

Gerade die letzten politischen und gesellschaftlichen Ereignisse haben gezeigt, wie gefährlich es werden kann, wenn Entscheidungen nicht auf Fakten basieren. Aus diesem Grund wird es meiner Meinung nach auch weiterhin ganz wichtig sein, dass Beurteilungen und Einschätzungen nachvollziehbar und auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen getroffen werden. Dafür bietet die ÖVG seit Jahren fundierte Grundlagen. Die ÖVG zeigt als unabhängiger Verein, die aktuellen verkehrsrelevanten Themen auf. Als Plattform bietet sie einen sehr wertvollen Austausch zwischen den wesentlichen Playern aus der Verkehrswirtschaft, der Verkehrswissenschaft und der Verkehrspolitik. Diese Kombination aus Praxis, Forschung und Politik ist in Österreich einmalig.

Zum Abschluss blicken wir noch weiter in die Zukunft: Wie glauben Sie wird die Mobilität im Jahr 2050 in Österreich aussehen?

Als integrierter klimafreundlicher Mobilitätsdienstleister werden wir bis 2050 unser Angebot an maßgeschneiderten end-to-end Lösungen von der ersten bis zur letzten Meile sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr wesentlich ausgebaut haben und eine noch stärkere Rolle in der Gesellschaft und Wirtschaft einnehmen – denn an der Bahn führt kein Weg vorbei!

Willkommen in der Zukunft.
Hallo Austrian Roadmap 2050.

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