Das Thema künstliche Intelligenz scheint in aller Munde zu sein, jüngst aufgrund des Chatbots der amerikanischen Firma „OpenAI“, welcher für großen Andrang auf den Servern der Webseite sorgte. Immer öfter stellen sich Menschen die Frage, ob sie nicht bald durch Maschinen ersetzt werden. Keine Panik – der Experte Stefan Woltran vom Zentrum für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen (CAIML) TU Wien hat sich bereiterklärt, diese sorgenumworbene Frage für uns zu klären und im Thema KI ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Denn das neu gegründete Zentrum an der TU Wien hat das hochmotivierte Ziel, die Forschungsaktivitäten in den Bereichen künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sowohl in ihren Grundlagen als auch in ihren Anwendungen zu bündeln und zu stärken und die TU Wien als Exzellenzzentrum für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen zu etablieren.

(24. Januar 2023, Sandra Beck)

Austrian Roadmap2050: Die Mission des CAIML ist es, die TU Wien als österreichisches Exzellenzzentrum für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zu etablieren. Was ist ihr Ziel hinter dem Forschungsvorhaben?

Stefan Woltran: Für Außenstehende vielleicht überraschend ist die KI-Foschungs-Community in mehrere Lager einzuteilen, wobei insbesondere die Unterteilung in symbolische AI (Logik, Wissensrepräsentation, Planen, etc.) und subsymbolische AI (heute eher unter den Begriffen des Maschinellen Lernens und Deep Learning zusammengefasst) historisch gewachsen ist. Es zeigt sich aber immer deutlicher, dass es das Zusammenspiel der Methoden beider Forschungsfelder ist, das intelligente Systeme erst ermöglicht. Ein Beispiel: Stellen wir uns vor wir haben einen Raum in dem verschiedene farbige Bauklötze sind, die auch zum Teil aufeinander aufgetürmt sind. Ein Roboter hat nun die Aufgabe mit möglichst wenig Bewegungen eine roten und eine blauen Turm, jeweils aus mindestens 3 Bauklötzen zu bauen. Um die Objekte richtig zu identifizieren braucht es Methoden des maschinellen Lernens, zur Erstellung eines möglichst guten Plans für das Bauen der beiden Türme braucht es Methoden aus der symbolischen KI.

Die oben skizzierte Situation der beiden Lager spiegelt sich auch an der TU Wien wider, wo Exzellenz – sowohl im Sinne der Grundlagenforschung als auch in Anwendungsgebieten – an zahlreichen Stellen vorhanden, aber über
diverse Institute und Fakultäten verteilt ist. Ein Hauptziel des Centers ist daher die Kolleg:innen zu vernetzen; für gemeinsame Forschungsprojekte wurden überdies drei PhD Stellen von der Fakultät für Informatik finanziert. Eine weitere wichtige Aufgabe des Centers ist die Sichtbarkeit der an der TU Wien vorhandenen Kompetenzen zu erhöhen und als Anlaufstelle für die Industrie oder Medien zu fungieren.

Austrian Roadmap2050: Unter dem Namen „AI Mission Austria“ wird eine neue Initiative von aws, FFG und FWF für den Aufbau von KI als Schlüsseltechnologie von der Forschung bis zur Umsetzung vorangetrieben, wo Sie sich auch mit einem Antrag beteiligen werden. Welche Forschungsprojekte sind derzeit bei Ihnen aktuell?

Stefan Woltran, Leiter des TU-Zentrums für AI CAIML © TU Wien

Stefan Woltran: Aktuelle Forschungsprojekte die von Mitgliedern des CAIML zurzeit durchgeführt werden, decken unterschiedlichste Bereiche ab. Das reicht von Grundlagenforschung zur Komplexität von Suchalgorithmen oder zu Logiken, um über ethische Normen zu schließen bis zur Steuerung von Mini Race-Cars oder Systeme, die Erkennen ob Menschen gestürzt sind. Auch zu der obengenannten Fragestellung des „Visual Question Answering“ wird am Center geforscht.

Austrian Roadmap2050: Was ist der aktuelle Forschungsstand von AI und vor welchen Herausforderungen stehen Sie gerade?

Stefan Woltran: Eine große Herausforderung ist das Zusammenspiel der verschiedenen Methoden. So kann zum Beispiel ein Bilderkennungsprogramm nicht erklären, warum es auf einem Foto eine Katze „erkennt“, da diese Methoden lediglich durch das Trainieren mit Millionen von Bildern das Konzept „Katze“ statistisch gut annähern können, aber keine explizite Ahnung davon hat, dass Katzen vier Beine haben, die man aber nicht sieht, wenn die Katze sitzt usw. Solche Konzepte lassen sich mittels Abstraktionen wiederum besser mit Methoden der symbolischen KI modellieren und behandeln. In vielen Einsatzgebieten ist es aber wichtig eine Erklärung für das Verhalten bzw. für die Antworten einer KI zu bekommen, nicht zuletzt um die Akzeptanz zu gewährleisten. Denken Sie an medizinische Diagnosen oder Gerichtsurteile.

Andereseits interessieren uns am CAIML auch Fragestellungen, die über die rein technischen Aspekte von KI hinausgehen, deren Einfluß auf Wirtschaft, Gesellschaft, Politk, etc. Unsere Special-Interest Group „Digital Humanism“ setzt sich genau mit diesen Fragestellungen auseinander, u.a. sprechen internationale Expert:innen regelmäßig in der von uns organisierten virtuellen Lecture Series zu aktuellen Themen in diesem Kontext.

Austrian Roadmap2050: Letztes Jahr sorgte ein KI-Experte von Google für die Behauptung, Maschinen können ein Bewusstsein erlangen für viel Aufsehen und wurde daraufhin beurlaubt. Für die meisten Menschen ist es ohnehin klar, dass Maschinen kein Bewusstsein, keine Gefühle und keine Seele haben. Doch was würde eine künstliche Intelligenz selbst sagen, wenn man sie dazu befragen würde? Die Frage nochmal an Sie: Kann künstliche Intelligenz ein eigenes Bewusstsein erlangen?

Stefan Woltran: Ob eine KI – dank der immer weitersteigenden Komplexität – Bewusstsein erlangen kann, ist im Grunde ähnlich zu der Frage wann eine hinreichend komplexe mechanische Maschine zum Lebewesen wird. Meiner Meinung nach ist Bewusstsein sehr eng mit dem Konzept „Leben“ verbunden und man kann die Entwicklung der menschlichen Intelligenz nicht von der Evolution trennen. Der große Überlebensvorteil des Menschen ist, dass er Verhalten „in Gedanken“ erproben kann und es nicht auf Versuch und Irrtum ankommen lassen muss. Dieses Simulieren von Verhalten im Kopf erzwingt ein Konzept des Ich in der Welt. Sprache ermöglicht es, diese Gedanken den Artgenoss:innen mitzuteilen. Anders gesagt kann man viele Aspekte der menschlichen Intelligenz als evolutionären Überlebensvorteil sehen. Da wir noch nicht in der Lage sind, künstliches Leben zu schaffen, erscheint mir die Möglichkeit, künstliche Systeme mit Bewusstsein zu kreieren, eher in ferner Zukunft zu liegen.

Austrian Roadmap2050: Der Chatbot der amerikanischen Firma „OpenAI“ ist seit einigen Wochen öffentlich im Internet zugänglich. Das Programm, das auf künstlicher Intelligenz beruht, bewältigt verschiedenste Aufgaben rasch und mit überraschender Sprachgewandtheit. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich ihrer Meinung nach durch die Entwicklung solcher intelligenten Systeme?

Stefan Woltran: Was wir momentan sehen – auch mit anderen Systemen wie z. B die Bildgenerationssoftware DAll-E – ist das KI für jederman zugänglich wird. Ich würde das zuvordererst positiv sehen, weil es vielen Leuten neue Optionen bietet. Andererseits kann mit solchen Techniken natürlich auch Schaden angerichtet werden, wobei man vieles wohl noch gar nicht absehen kann – Menschen sind ja kreativ. Ich meine da auch nicht naheliegendes wie zB dass Schüler:innen sich von ChatGPT die Hausarbeiten schreiben lassen kann. So könnte man ChatGPT nutzen um z.B tausende überzeugend wirkende Webseiten zu erstellen, die aufeinander verweisen und sich somit für Suchmaschinen legitimieren, obwohl deren einziger Sinn ist mit Werbung Geld zu machen (sogenannte click farms).
Eine größe Herausforderung ist natürlich wie das Urheberrecht bei Systemen wie ChatGPT greift, schließlich sind die erstellten Texte Resultate der zahlreichen Daten und Dokumente mit dem das System trainiert wurde.

Austrian Roadmap2050: Wie revolutionär ist dieser Chatbot wirklich und zu was wird KI in Zukunft in der Lage sein und welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem?

Stefan Woltran: Die zugrundeliegende Technik ist das Textvervollständigen wie wir es auch aus der Google-Suchzeile kennen. Das System wurde mit zahlreichen Texten aus Online-Foren, sozialen Medien, Zeitungsartikeln, Bücher, etc. trainiert und zwar mittels speziellen Techniken des Reinforcement Learnings. Technisch steckt da also nichts revolutionär Neues drinnen, die Ergebnisse sind aber natürlich beeindruckend.

Natürlich sind nun auch kreative und kognitive Jobs in der Ziehung; Simultan-Übersetzer:innen werden in Zukunft vielleicht weniger für das tatsächliche Übersetzen zuständig sein, aber beim Optimieren und Verbessern der KI wichtig sein. Computerprogramme werden gute Designs oder Popsongs entwerfen können, aber keine Paradigmenwechsel einleiten, wo externe Effekte, z.B gesellschaftliche oder technologische Entwicklungen, zusätzliche Impulse geben. Das kann nicht einfach durch Lernen das bereits bestehender Artefakte bewerkstelligt werden. Allerdings sind unbemerkt schon viele – eher miese Jobs – durch KI entstanden, wo Menschen Bilder und Videos labeln, um Trainingsdaten für KIs zu erstellen.

Austrian Roadmap2050: Wohin geht die Reise? Was wird da in den nächsten Jahrzehnten auf uns zukommen?

Stefan Woltran: Solche Prognosen sind naturgemäß schwierig. Ende der 60er Jahre hat man baldige interstellare Weltraumflüge vorausgesagt, aber bis heute waren Menschen nicht am Mars. Das selbstfahrende Auto ist immer noch nicht im alltäglichen Stadtverkehr zu sehen. Apropos Auto: Ich denke, dass wir uns in Zukunft auf einen wesentlich strenger regulierten Umgang mit KI einigen werden. Momentan befinden wir uns in einer Phase die ein wenig an den Beginn des Höhenflugs des Automobils erinnert. Man hat damals schnell erkannt, dass es sowas wie eine Straßenverkehrsordnung, eine technische Abnahme der Fahrzeuge sowie Berechtigungen zu Lenken von Kraftfahrzeugen braucht, um Leid und Chaos abzuwenden..

Willkommen in der Zukunft.
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