
Wie digital sind Österreichs Unternehmen? Am 12. Oktober präsentierte Hutchison Drei Austria zusammen mit marketmind und Arthur D. Little die Ergebnisse des „Digitalisierungsindex 2023“. Die Redaktion der Austrian Roadmap2050 war für Sie digital zugeschalten.
Mittlerweile wurden Arthur D. Little und marketmind zum sechsten Mal vom Telekommunikationsanbieter Drei beauftragt Unternehmen in Österreich rund um die Nutzung und die generelle Einstellung zu IT- und KI-Lösungen zu befragen. Die Ergebnisse präsentierten Rudolf Schrefl, CEO von Drei, Dr. Stefan Schiel, Managing Partner von marketmind und Dr. Karim Taga, Managing Partner von Arthur D. Little, im Rahmen einer Pressekonferenz am 12. Oktober im APA-Pressezentrum. Der Digitalisierungsindex errechnet sich aus fünf Einzelfaktoren von der IT-Ausstattung und -Vernetzung über Online-Präsenz und -Vertrieb bis zur Arbeitsweise. Auf einer Skala von 1 bis 100 gibt der Index den Digitalisierungsgrad eines Unternehmens an. „Digitalisierung ist als Lösungskomponente nicht mehr wegzudenken und gewinnt in Anbetracht von Herausforderungen im wirtschaftlichen und ökologischen Umfeld an Bedeutung“, so Schrefl.
Nach einem leichten Anstieg 2022 ist der Digitalisierungsindex mit einem Wert von 35 von 100 möglichen Punkten 2023 auf Vorjahresniveau geblieben. Nur 19% der Unternehmen geben an, dass sie sich nach COVID mehr mit Digitalisierung beschäftigt haben. Während sich größere und mittlere Unternehmen positiv entwickeln, fallen kleine Betriebe mitunter 20 Mitarbeiter:innen immer weiter zurück – hier herrscht Aufholbedarf. Namentlich in der Landwirtschaft sowie im Tourismus und Handel. Gerade bei Großunternehmen mit über 100 Angestellten ist das Thema Digitalisierung mit 34% prominenter, als bei KMU bis 10 Mitarbeiter:innen mit maximal 20%.
Für die Methodik wurden aktuelle Daten, aber auch Wahrnehmungsphänomene berücksichtigt, welche in telefonischen Interviews im Zeitraum Mai bis September 2023 erfasst wurden. Insgesamt wurden knapp 800 Unternehmen aller Branchen und Größen in ganz Österreich befragt.
Wie Unternehmer:innen der Digitalisierung entgegenstehen: 84% der Befragten sehen in der Digitalisierung eine Chance, 78% eine Herausforderung. „Die Herausforderungen sind in den Köpfen größer“, kommentierte Schiel das Ergebnis. Als Hürden werden unter anderem das fehlende Know How und die entstehenden Kosten genannt. „Das Digitalisierungsklima bleibt damit in Summe negativ. Immerhin: Nur mehr 16 %, und damit weniger als im Vorjahr, sehen in der Digitalisierung gar keine Chancen. Gleichzeitig kann weniger als die Hälfte, nämlich 43%, der Unternehmen, die stark auf neue Technologien setzen, einen konkreten Wettbewerbsvorteil benennen.“ Als größte Chancen werden Kostenersparnis, Neukundenakquise sowie Zukunftssicherheit bzw. mehr Agilität und Flexibilität gesehen.
Der Wunsch nach Beratung ist so deutlich gestiegen wie noch nie – von 28 auf 41 %. Dies betrifft vor allem Branchen, in denen ohnedies Aufholbedarf in der Digitalisierung besteht. „Hilfe, da kommen lauter neue Dinge auf mich zu, mit denen ich nicht umgehen kann“, beschreibt Schiel das allgemeine Sentiment in Österreichs Unternehmen. Zusätzlich erschweren rechtliche Hürden und andere gesetzliche Vorgaben das Implementieren von IT- und KI-Lösungen und dazugehörigen Prozessabläufen. „Mit den rasanten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz werden Vernetzung, Datennutzung sowie digitale Lösungen für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Klein- und Mittelunternehmen noch wichtiger werden. Dabei sagen so viele Betriebe wie noch nie, ihnen fehlen die Mittel und das Wissen für das, was jetzt notwendig ist. Nichts ist der Studie nach so deutlich gestiegen wie der Wunsch nach Beratung und Unterstützung. “, so Schrefl.
Wie im Vorjahr gaben 24 % an, Investitionen in die Digitalisierung zu planen. Hier wurden Investitionen in den Web-Shop, Rechnungslegung und -stellung oder Data-Management genannt, Maßnahmen zur Erhöhung der Produktivität mit Hilfe von Digitallösungen schienen bei keinem der befragten Unternehmen auf. Wären diese Investitionen aber tatsächlich getätigt worden, hätte man heuer schon einen deutlichen Sprung im Digitalisierungsindex gesehen.
Gefragt nach der Technologie mit dem größten Einfluss auf die Digitalisierung wird Glasfaser klar als Nummer eins gesehen. Dahinter kommt WiFi und auf Platz 3 bereits 5G. In gewissen Branchen wird 5G bereits als einflussreichste Technologie gesehen – vor allem im Tourismus und Transport- und Immobilienbereich, wo mit 5G+ verlässliche Bandbreiten, aber auch LoRaWAN als eigenes Mobilfunknetz für vernetzte Geräte eine erhöhte Bedeutung zukommt.
Wie Schrefl erklärt, sei die Infrastruktur gegeben, die Nutzung allerdings noch ein Problem. “Gerade bei Glasfaser ist die Hürde noch groß, in die letzte Meile zu investieren. Hier gilt es, die richtigen Anreize zu setzen.“ Laut DESI (Digital Economy and Society Index) beläuft sich der Glasfaser Coverage aktuell nur auf knapp 55%. Glasfaser und 5G werden aktuell noch als zwei, separate Optionen wahrgenommen. „Es wird nie ein Entweder-oder sein! Gerade für Mobilitätsanwendungen werden wir beide Technologien brauchen“, betont Schrefl. Um dies zu erreichen, muss die Leistbarkeit erhöht, Nachfrageförderungen gesteigert werden.
Obwohl die technische Basis dafür vorhanden ist, sind KI- und Cloud-Nutzung laut DESI von 2022 auf 2023 stabil geblieben. Dr. Karim Taga, Managing Partner von Arthur D. Little, führt dies auf das fehlende Know How in der Bevölkerung zurück: „Während der Ausbau der Infrastruktur gut voranschreitet, sind die Themen der digitalen Bildung und des Einsatzes von digitalen Technologien, die Hand in Hand gehen, die Ursachen für diesen Trend. Es muss vor allem in den Bereichen der allgemeinen digitalen Bildung, mit Einbezug neuer Technologien wie KI und Big Data, Veränderungen geben. Nur so kann die Bevölkerung, die die Basis der Arbeitnehmerschaft von KMUs stellt, auf die neuen Herausforderungen vorbereitet werden und der Einsatz dieser Technologien auch in KMUs zur Norm werden.“ Um einen nachhaltigen Wissensaustausch zu etablieren, ist ein Zusammenspiel von ICT-Anbietern, Corporates und der öffentlichen Hand notwendig. In Holland zeigt sich dies in Form eines 1,5 Milliarden Euro-Investments in Initiativen rund um die Wissensvermittlung und Weiterbildung. Finnland rief das „LUMA Centre“ ins Leben: ein Netzwerk von Universitäten und Student:innen, das die nationale Zusammenarbeit im MINT-Bereich fördert. „Finnland und Holland sind im Bereich „Grundlegende Digitalkenntnisse“ bereits bei 80% – das bedeutet, sie haben unser Ziel für 2030 bereits heute erreicht!“, so Taga.
Zum Abschluss wurde die Frage der Redaktion der Austrian Roadmap2050 in Bezug auf die fehlenden IT-Arbeitskräfte thematisiert. Wie etabliere ich IT-Wissen nachhaltig in Österreichs Unternehmen? Rudolf Schrefl wies hier erneut auf die Notwendigkeit der Bewusstseinsbildung von Kindesbeinen an und die Tatsache, dass IT als globale Branche betrachtet werden muss: „Wieso differenzieren wir hier? Man braucht die IT-Kräfte nicht vor Ort zu haben, sondern kann viel durch kulturelle Kooperationsfähigkeit erreichen.“ Karim Taga ergänzt: „IT hat immer zwei Elemente: Produktion und Konsum. Als Unternehmen treffe ich die Wahl, ob ich mir meine IT-Infrastruktur selbst aufbaue oder mich vermehrt auf die Nutzung fokussiere. Wir sollten österreichische Unternehmen dabei unterstützen, sich von der Idee zu distanzieren, dass, um KI und IT-Lösungen nutzen zu können, alles inhouse produziert werden muss. Das ist eine Mindset-Sache.“
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