
FACC-CEO Robert Machtlinger spricht im Interview mit Austrian Roadmap 2050 über die neue Strategie „FACC 2030“. Nach erfolgreicher Drohnen-Testphase mit dem EHang 216 greift das Unternehmen nach den Sternen: Unter dem Motto „Committed to the sky – at all levels“ nimmt FACC die Raumfahrt ins Visier.
ROADMAP: Herr Machtlinger, was ist das Mobilitätssystem der Zukunft? Stichwort: Autonomes Fliegen?
ROBERT MACHTLINGER: Die Bevölkerung in den Städten der Welt nimmt rasant zu, was dazu führen wird, dass Menschen tagtäglich von Staus auf den Straßen betroffen sein werden. Gleichzeitig verstärkt sich der Trend weg vom Massenverkehr hin zum Individualverkehr. Autonomes Fliegen und damit die Nutzung des Luftraums als „3. Dimension“ stellen aus meiner Sicht einen idealen Lösungsansatz dar – zusätzlich zu dem unverzichtbaren Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und der Ökologisierung bestehender Verkehrskonzepte. Autonome Fluggeräte wie der von FACC gefertigte EHang 216 werden dabei helfen, die Verkehrsprobleme in und zwischen den Städten zu lösen. Neu entwickelte, umweltfreundliche Elektroantriebe, leistungsstarke Batterien mit kurzen Ladezeiten, minimaler Platzbedarf für Start- und Landeplätze, schnelle Computer und Big Data schaffen die nötigen Voraussetzungen, um Urban Air Mobility, also Luftmobilitätskonzepte innerhalb und zwischen Städten, praktisch in Angriff zu nehmen. Der für zwei Passagiere konzipierte EHang 216 ist weit über den Transport von Personen hinaus einsetzbar und bietet sich sehr gut für logistische Verwendungszwecke an – wie etwa Flüge zum Transport dringender Notfallgüter oder für risikoreiche Einsätze aus der Luft bei Umweltkatastrophen.
RM: Die Drohnentestphase läuft bereits auf Hochtouren – welche Perspektiven eröffnen sich in der laufenden Entwicklung?
MACHTLINGER: Als Pionier im Bereich Urban Air Mobility hat FACC Ende letzten Jahres gemeinsam mit dem strategischen Partner EHang einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der urbanen Mobilität der Zukunft gesetzt: Das von FACC produzierte autonome Fluggerät EHang 216 absolvierte unter Aufsicht der Austro Control den ersten Testflug im offenen Raum und erhielt auf Basis der durchgeführten Tests die Erprobungsbewilligung durch die österreichischen Behörden zuerkannt. Der erfolgreiche Testflug unseres autonomen Flugtaxis im österreichischen Luftraum ist der Startschuss für ein umfassendes Testprogramm. Wir schaffen damit das Fundament für die Zulassung der innovativen, hochflexiblen und nachhaltigen Verkehrs- und Transportlösung für urbane Ballungszentren. Parallel konzentriert sich FACC gemeinsam mit anderen Unternehmen der Branche, Forschungseinrichtungen, Politik und Behörden auf den Ausbau dieser innovativen Mobilitätslösung. Die Behörden arbeiten an den Regularien für den individuellen Luftverkehr. Auch die Implementierung von Testgebieten in Österreich wird forciert.
© FACC
RM: Stichwort „Lufttaxis“: Wie weit entfernt bzw. wie realistisch ist dieses Vorhaben in naher Zukunft? Konkret: Wann kann ich mir in Wien ein Flugtaxi bestellen?
MACHTLINGER: Der EHang 216 ist aktuell das am Markt am weitesten fortgeschrittene Produkt im Bereich der Urban Air Mobility. Die Einführung autonomer Drohnensysteme geht in China mit großen Schritten voran. Mehrere Tausend bemannte Flugstunden hat das autonome Fluggerät in China bereits absolviert und Mitte 2020 von der chinesischen Zivilluftfahrtbehörde (CAAC) die weltweit erste Genehmigung für den kommerziellen Betrieb für logistische Zwecke erhalten. An der Ostküste Chinas fanden bereits Testflüge mit dem EHang 216 statt, die mehrere Personen auf eine Sightseeing-Flugtour mitgenommen haben. Die Passagierdrohne hat bis dato Test- und Demoflügen in über 20 Städten und zahlreichen Ländern absolviert, neben China und Österreich auch in den USA, in den Niederlanden, in Katar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Mit dem erfolgreichen Erstflug des EHang 216 in Österreich setzte FACC gemeinsam mit EHang nun einen wichtigen Schritt zur Einführung des autonomen Fliegens in Europa. Wann genau und ob auch in Wien Flugtaxis bestellt werden können, hängt von vielen Faktoren wie Regularien, Infrastruktur, Einbindung in bestehen Verkehrssysteme etc. ab. Experten gehen davon aus, dass die ersten autonomen Personenfluggeräte zuerst im asiatisch-pazifischen Raum – besonders in großen Metropolen wie Hongkong, Peking und Shanghai – zu einem breiten kommerziellen Einsatz kommen werden. Danach sollte Nordamerika aufschließen, bis sie sich zu guter Letzt – voraussichtlich zum Ende dieser Dekade – auch in Europa durchsetzen. Und dann vielleicht auch in Wien.
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RM: Ein weiterer Markt der Zukunft ist die Raumfahrt. Auch interessant für FACC?
MACHTLINGER: Ja, auf jeden Fall. Wir wollen auch eine Luftsphäre höher – in den Bereich Raumfahrt – vordringen: Wir bei FACC haben in den letzten Monaten daran gearbeitet, den Weg des Unternehmens für die nächsten zehn Jahre zu skizzieren. In unserer Strategie „FACC 2030“ ist unter dem Motto „Committed to the sky – at all levels“ der nächste Evolutionsschritt von FACC als Innovator der gesamten Aviation-Branche definiert. Unser Unternehmen hat sich in seiner über 30jährigen Entwicklung immer dadurch ausgezeichnet, über bestehende Horizonte hinauszugehen, neue Wege und Lösungen zu finden. In einer sich rasch verändernden Welt – was sich bedingt durch Corona noch beschleunigt hat – ist diese Eigenschaft noch entscheidender. Klimawandel, Digitalisierung und ressourcenschonende Mobilität bieten vielen Chancen für FACC. Unser Kerngeschäft sind und bleiben innovative Leichtbaulösungen. Hier werden wir unsere Kompetenzen weiter perfektionieren und ausbauen. Neben dem oben angesprochenen Bereich Urban Air Mobility wollen wir zukünftig aber auch zusätzliches Wachstum durch unser Engagement im Segment Space erzielen und mit unserer Leichtbautechnologie eine bedeutende Marktposition aufbauen. Raumfahrt ist ein signifikanter Wachstumsmarkt, unsere Leichtbaulösungen eignen sich bestens für den Einsatz in Trägerraketen oder Satelliten.
RM: Im Rückblick auf das schwierige vergangene Jahr, welche Chancen bringt das Jahr 2021?
MACHTLINGER: In der Tat war das Jahr 2020 das schwierigste Jahr in der FACC Geschichte. Das Zusammenbrechen der weltweiten Luftfahrtaktivitäten hat uns mit voller Wucht getroffen. Wir haben letztes Jahr schnell reagiert und uns an eine völlig neue Marktsituation angepasst. Aus Diskussionen mit unseren Kunden haben wir die Rückmeldung erhalten, dass die Umsetzung unserer Aktivitäten im letzten Jahr als beispielhaft in der Industrie angesehen wird. Seit dem vierten Quartal 2020 ist eine Trendwende erkennbar. Kundenabrufe haben sich stabilisiert und wir arbeiten mit einer stabilen Auslastung von 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Unverändert intensiv und unbeeinflusst von Corona führen wir unsere Aktivitäten im Bereich Forschung, Entwicklung und Produktinnovationen fort, mit unseren Leichtbaulösungen wollen wir einen wichtigen Beitrag leisten, das Fliegen effizienter, komfortabler und umweltfreundlicher zu machen.
Für das Jahr 2021 gehen wird davon aus, dass es eine Besserung bringen wird. Eine Entschärfung der Pandemie durch wirkungsvolle Impfstoffe ist speziell für die Reise- und Touristikbranche von enormer Bedeutung. Was die Luftfahrtbranche betrifft, wird wahrscheinlich die zweite Hälfte 2021 zwar bei den Airlines zu einer sichtbaren Verbesserung der Flugzeugauslastung führen. Unsere Prognosen zeigen aber, dass das Flugzeugneugeschäft erst ab dem Jahr 2022 wieder wachsen wird. Eine vollständige Erholung wird erst ab dem Jahr 2024 erwartet.
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