Ein Gastkommentar von Monika Köppl-Turyna, Direktorin der Eco Austria und Dozentin an der Privatuniversität Schloss Seeburg.

Der österreichische Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen 15 Jahren merklich verändert. Die Zahl der Erwerbstätigen laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung ist von 4,09 Millionen Personen im Jahr 2008 (vor der Wirtschaftskrise) auf 4,55 Millionen (2019) bzw. 4,67 Millionen im Jahr 2022 gestiegen. Dabei zeigte sich jedoch bereits vor der Corona-Pandemie ein spürbarer Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden pro Beschäftigungsverhältnis (Stichwort Kurzarbeit), der sich in den letzten Jahren weiter verfestigt hat. Die Register-Arbeitslosenquote lag 2022 bei gut 6 Prozent (und damit trotz diverser Krisen und Herausforderungen auf ähnlichem Niveau wie 2008). Trotz der aktuellen Energiekrise und der damit einhergehenden Preisentwicklung bzw. Wachstumseinbußen wird aufgrund des Arbeitskräftemangels für die Jahre 2023 und 2024 eine weitgehend konstante Arbeitslosenquote prognostiziert. In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der beim AMS gemeldeten offenen Stellen von rund 40.000 im Sommer 2008 auf rund 140.000 im Sommer 2022 gestiegen. Der Wirtschaftsbund weist für Sommer 2022 in einer umfassenderen Betrachtung mit rund 270.000 offenen Stellen eine beinahe doppelt so hohe Zahl aus. Insbesondere vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung werden die Herausforderungen, die vom Arbeitskräftemangel ausgehen, in Zukunft nicht kleiner werden.

 

Die Situation stellt die Politik, aber auch die Arbeitgeber:innen, vor Herausforderungen. Gefragt sind Lösungen, um die bestehenden Probleme am Arbeitsmarkt zu beseitigen. Ein folgender Maßnahmenkatalog zur Erhöhung der Arbeitsanreize bzw. Möglichkeiten, eine Arbeit aufzunehmen, lässt sich – in freier Reihenfolge – formulieren: Änderungen im Steuer- und Leistungssystem, um Arbeitsanreize zu erhöhen – dazu gehören etwa hohe Eingangssätze der Einkommensteuer, die Negativsteuer, Alleinverdienerabsetzbetrag oder der niedrigere Satz der Arbeitslosenversicherung für niedrige Einkommen. Weiters benötigt Österreich einen Ausbau der hochqualitativen Kinderbetreuung, um beiden Elternteilen eine Vollzeitbeschäftigung ermöglichen zu können. Last but not least: die demographischen Veränderungen zwingen uns alle etwas langer zu arbeiten – das soll durch Anpassung der gesetzlichen Eintrittsalter in die Pension erfolgen sowie etwa durch steuerliche Vorteile im Alter.

 

Der zweite Punkt betrifft das Verhalten der Arbeitgeber:innen. Angesichts des sehr engen Arbeitsmarktes und der demographischen Veränderungen, ist davon auszugehen, dass die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer:innen über längere Zeit groß sein wird. Das wird einen Druck auf die Löhne ausüben, der womöglich zu einem signifikanten Anstieg der Reallöhne führt. Zweitens zeigen neue Untersuchungen, dass sich die Arbeitnehmer:innen mindestens einen Tag pro Woche Home-Office „wünschen“. Diese Situation führt nicht nur zu Veränderungen der Unternehmenskultur, sondern auch zu einer Reihe von Herausforderungen: Wie gehen wir mit Beförderungen um, wenn immer mehr Faktoren im Büro nicht mehr einfach beobachtbar sein werden? Wie stärkt man die Loyalität der Arbeitnehmer:innen, die mehrere Tage in der Woche ihre Arbeitskolleg:innen nicht sehen? Wie soll eine Entlohnung erfolgen, wenn ein zunehmender Teil der Angestellten online aus anderen Teilen der Welt arbeitet, mit niedrigeren Lohn- und Preisniveaus? Und schließlich entstehen Probleme steuerlicher Natur. Arbeitnehmer:innen werden mobiler und können sich in vielen Fällen „aussuchen“, wo sie ihre Einkommensteuer zahlen wollen. Das führt zu einem völlig neuen Standortwettbewerb.

 

Die Herausforderungen am Arbeitsmarkt werden in den kommenden Jahren zunehmen. Ohne strukturelle Reformen sind diese nicht zu bewältigen.

Monika Köppl-Turnya wurde 1985 in Warschau geboren. Sie ist Wirtschaftswissenschaftlerin, seit 2020 Direktorin der EcoAustria und Dozentin an der Privatuniversität Schloss Seeburg. Heute ist sie eine der bedeutendsten Ökonominnen Österreichs.

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